81. Drey Meister-Stücke von dreyen Kunstreichen Brüdern.

[487] Für diesem haben wir am andern Ort etwas erwehnet von der Frey- und Kühnheit der Griechen im Lügen. Ich befinde aber / daß die Frantzosen den Griechen hierinnen nichts nachgeben: Nehmet diß zum Exempel / welches vom Philip d'Alcripe in seiner treuen Fabriq; aufgezeichnet ist. In unserm Dorff (spricht er) wohnet ein Mann / Simonet genannt / dem gebahr seine funffte Frau 3. Söhne zugleich auf eine Zeit. Wie die Kinder erwuchsen / hat der Vater jeden ein Handwerck lernen lassen / den einen beym Barbierer /den andern beym Schmidt / den dritten beym Fechter. Der Vater ward alt / forderte seine 3. Söhne für sich /und verhieß demjenigen / welcher sein Handwerck am besten würde gelernet haben / sein Hauß und Wohnung voraus. Die Söhne liessen ihnen solches gefallen.[487] Ein jeglicher trauete seine Kunst: Also ward ein Tag angeordnet / da in Gegenwart des alten Vatters und anderer Leute ein jeder die Probe thun solte. Der Barbierer trat zum ersten auf / zog aus seinem Köcher ein Scheermesser: Und begab sich eben / daß ein Haase von zween Hunden gejagt / im vollen Springen daher lieff. Der Barbierer mit seinem Scheermesser hinter dem Haasen her / und scheeret ihm seinen Bart am Maul im Lauffen so artig und glatt ohne Verletzung hinweg / als wann er stock still aufm Stuhl gesessen wäre. Der ander / (war der Schmidt) wolte auch zeigen / was er könnte: Da siehet er anhero rennen im steiffen Galopp einen Reuter zu Pferde / er nicht faul / sondern hinter dem Pferde her / mit seinem Hammer und Zange / löset dem Pferde im vollen Lauff alle 4. Huffelsen ab / leget ihm neue wieder unter / eben so geschwind und fertig / als wann er es hätte für seiner Schmiede angebunden gehabt. Der letzte ein guter Fechter / nimmt sein Rappier / gehet auf die Gassen / mitten im grossen Platzregen / und schwinget seinen Degen dermassen / und mit solcher Geschwindigkeit ums Haupt und um den Leib / daß nicht ein einiger Tropffe auf ihn fallen konte / sondern er blieb eine lange Weile gantz trucken stehen.


Die Menschen seynd geneigt zum Lügen. Lügen hat ein kranckes Bein.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 487-488.
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