86. Von Kronen und Kräntzen.

[493] Daß man Kräntze aufs Haupt setzet / ist ein alter Gebrauch vor Zeiten sehr gemein gewesen bey den Römern / so wol unter Manns- als Weibs-Personen. Die Männer pflegten nimmer beym Wein zu sitzen und zu zechen / sie hatten dann Kräntze auf dem Haupte /artig gebunden und gewunden von Rosen / Violen /Epheu / Reinweiden / Saffran-Blumen und dergleichen / nicht allein des lieblichen Geruchs halben /sondern auch die Hitze des Weins zu löschen / und die aufsteigende Dünste zu dämpffen / ja sie pflegten auch die Becher zu krönen / daraus sie truncken / wie beym Virgilio im 3ten Buch vom Ænea zu sehen. Endlich auch die Kräntze selbst in den Wein zu stecken / und also davon zu trincken. Auf diese Art hat die Königin Cleopatra ihren Buhlen den Antonium aus dem[493] Wege geräumet / nachdem sie ihn zu Gaste geladen / und einen Krantz mit vergiffteten Blumen ihm aufgesetzet / hernach in die Weinschaale geworffen / und mit guten Worten ihn zu trincken angemahnet / wie solches Plinius erzehlet. Dabeneben hat man auch die Kriegs-Obristen / wann sie gesieget und die Victori erhalten / pflegen mit Kräntzen von Lorbeer-Blättern zu krönen: Item / die erbaren Weibs-Personen wurden auch mit Kräntzen gezieret / wann sie nach ihres Mannes Tode Wittwen blieben / und nicht zur andern Ehe schritten. Nicht allein aber waren die Kräntze ein Zeichen der Ehre / sondern auch zuweilen das Widerspiel. Dann wann man bey den Juden einem wolte Schmach und Schande anthun / so krönete man sein Haupt / wie solches unsers Heylandes Christi Paßion bezeuget.


Gleichwie die Heyden die berühmten Leut mit Kräntzen kröneten / also wird Christus JEsus mit den Krantz der ewigen Herrlichkeit seine Gläubigen ausschmücken.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 493-494.
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