32. Von der köstlichen Mahlzeit des [52] Antonii und Cleopatræ, darinnen Cleopatra eine theure Perle aufgegessen.

Cleopatra, Königin in Egypten / hat in ihrem Besitz gehabt / und an ihren Ohren getragen zwo Perlen / die grössesten / so jemals von Menschen gesehen worden / welche ihr hinterlassen von ihren Vorfahren / den Königen in Egypten. Nun hat der Antonius Cleopatræ Mann / alle Tage aus der massen köstlich gespeiset / und in der Uppigkeit gelebet / also / daß er auch auf einmal die Cleopatram gefraget / ob auch einiger König theuerbahrer und prächtiger Panquet jemals gehalten / oder noch halten könte? Cleopatra hat den Antonium ausgelachet und gesaget: Sie wolte auf ein Abend-Essen spendiren und verzehren / (sie alleine) fünffmal hundert tausend Gülden. Antonius begehrte solches zu sehen; Gläubete aber nicht / daß es geschehen könte. Sie haben zusammen gewettet / und das Urtheil einem / mit Nahmen Lucio Plancio, übergeben und anbefohlen. Des andern Tages ladet die Cleopatra den Antonium zu Gaste / setzet ihm erstlich etliche / aber nur geringe Essen für. Darüber der Antonius gespottet / und gefraget: Wie sie[52] wolte mit der Rechnung zurechte kommen? Cleopatra ist auf ihrer Rede beständig blieben / und ihn vergewissert / sie wolte in derselben Mahlzeit so viel Goldes werth /nemlich fünffmal hundert tausend Gülden verzehren. Hierauf hat sie den Dienern anbefohlen, ein kleines Fäßlein mit Eßig zu bringen; Da hat sie eine von den grossen theuerbaren Perlen aus dem Ohre gerissen /und in den Eßig geworffen / welche auch alsbald darinn verschmoltzen: Denselben Eßig mit der Perle hat sie ausgetruncken: Alsbald die Hand auch an die andere Perle geleget / und die gleicher massen wollen herunter reissen. Da ist der Lucius Plancius eilends hinzu getreten / und ihr die Hand begriffen / und ein Urtheil gefället / Cleopatra hätte gewonnen / und Antonius verlohren. Hat also die Cleopatra das eine Wunderwerck der Natur aufgeschlucket. Das andere der Plancius gerettet.


Was thut Ubermuth nicht: Und was jaget der Mensch nicht durch den Hals? Aber gemeiniglich mit seinem eigenen Schaden / wie der Cleopatræ und Antonio geschehen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 52-53.
Lizenz:
Kategorien: