46. Geschwinde listige Kriegs-Räncke etlicher Tyrannen.

[74] Tarquinius Superbus ist gewesen einer von den hoffärtigsten und grausamsten Königen zu Rom. Der hat einen Sohn gehabt / Tarquinius Collatinus geheissen / welcher die ehrliche Frau Lucretiam mit Gewalt zu seinem unehrlichen Willen gebracht; Darum denn Lucretia sich selber erstochen / und der König Tarquinius mit den Seinen aus Rom vertrieben / auch nach ihm kein König mehr erwehlet worden.[74]

Von diesen beyden Tarquiniis erzehlen die Historien-Schreiber / daß / als der Vater dem abwesenden Sohne verständigen und befehlen wollen / er solte die fürnehmsten Häupter der Gabiorum tödten lassen /und aber solches nicht durffte dem Schreiber vertrauen / vielweniger einen Boten mündlich und offenbar befehlen: Er einen seiner Diener zu sich genommen /und sey in den Garten gegangen / habe mit einem Stecken alle den hohen Mohn die Mohn-Häupter stillschweigend abgeschlagen / und hiemit den Diener zu seinem Sohn verreisen lassen. Derselbe / wie er zu dem jungen Tarquinio kommen / hat berichtet / was der Vater im Garten gethan. Der Sohn / so alsbald des Vaters Willen gemercket / hat die fürnehmsten Gabios köpffen lassen.

Auf dieselbige Art / doch durch andere Mittel / hat auch Histiæus die Miletenser zum Aufruhr und Abfall vom Könige Dario vermahnet und angereitzet: Histiæus hat einem seiner Diener den Kopff lassen gar kahl machen / und das Haar glat abscheren / auf den kahlen Kopff aber mit spitzigen Eisen gewisse Figuren geritzet / und folgends den Diener so lange bey sich behalten / biß die Haar ihm wieder gewachsen. Wie das geschehen / hat er ihn nach Miletum gesandt / an den Aristagoram Millesium und ihm sagen lassen / er solte diesem das Haar abscheren / und besehen / was darinnen verborgen. Das hat Aristagoras gethan / und ist durch solch Stratagema vergewissert der Miletenser halber / haben sich zusammen gerottet / und seynd gegen den Darium aufrürisch worden. Diese Historie ist vom Herodoto beschrieben / wie dann auch die folgende selbiges Inhalts:

[75] Periander war ein Tyrann zu Corintho, und Thrasybulus ein Tyrann zu Mileto. Einsmals sandte Periander einen Boten zum Thrasybulo, ihn zu fragen /wie er am besten könte seine Regierung bestätigen? Thrasybulus hat den Boten mit sich aufs Feld genommen / ins reiffe Korn geführet / und mit einem Stecken die längsten und obenaus stehenden Aehren niedergeschlagen / auch dem Boten keinen andern Bescheid gegeben / sondern ihn hiemit von sich gelassen. Der Bote / wie er wieder heimkommen / hat dem Periandro erzehlet / was Thrasybulus beym Korn gethan: Woraus der Periander des Thrasybuli Meynung verstanden / und die Fürnehmsten der Stadt Corintho aus dem Wege geräumet.


Das ist der Tyrannen Art / was sie nicht öffentlich thun dürften / das verrichten sie heimlicher Weise durch List.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 74-76.
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