47. Durch des [76] Zopyri Treu und Kühnheit erobert Darius die Stadt Babylon.

Die Stadt Babylon ward vom Könige Dario belägert darum / daß die Einwohner ihm waren abtrünnig worden. Dieselben hatten sich aber sehr wol fürgesehen mit Proviant / und damit ihnen der nicht mangeln möchte / hatten sie zuvor alle ihre Weibes-Personen mit Stricken erwürget / wenig ausgenommen / die ihnen Brodt backen könten. Als nun Darius 19. Monat dafür gelegen / haben die Babylonier aus der Stadt geruffen: O ihr Perser! was verharret ihr doch allhier? Ehe werdet ihr unsere Stadt nicht gewinnen /ehe dann ein Maul-Esel gebähren wird. (Die Maul-Esel sind alle in ihren Geschlechten unfruchtbar.) Was geschicht? Kurtz hernach gebiehret[76] des Zopyri Maul ein Füllen. Dieser Zopyrus war einer von den fürnehmsten Räthen und Freunden Darii. Welcher hierdurch in seinem Hertzen ist gewiß worden / daß nunmehr Babylon solte gewonnen werden. Er thät aber eine wunderliche unerhörte That: Seine beyde Ohren / Nase und Lefftzen schneidet er sich selber ab: Gehet zum Dario, sagt er wolle ihm die Stadt in die Hände lieffern / er solte nur nach 10. Tagen tausend Soldaten für die Stadt schicken / und dann über 10. Tage abermal zwey tausend: Er aber / Zopyrus laufft also verwundet nach der Stadt Babylon: Wird von denen Bürgern ergriffen. Diesen klagt er / wie Darius ihn also zerstümmelt / und so gar tyrannisch mit ihm umgegangen. Die Babylonier glaubten seinen Worten. Zehen Tage hernach kamen die tausend Soldaten des Darii vor die Stadt / Zopyrus begehret / man soll ihn auslassen / er wolte mit den Soldaten fechten / nimmet etliche aus der Stadt zu sich / und erschlägt die tausend Männer: Durch diese That hat der Zopyrus in der Stadt groß Lob und Macht bekommen. Nach zehen Tagen kommen auch die zwey tausend Personen / diese erschlägt Zopyrus gleicher massen. Als nun die Babylonier sehen / daß Zopyrus so für sie streitet / vermeynen sie / er thue es aus getreuen Hertzen / und übergeben ihm die Schlüssel der Stadt und alle Gewalt: Endlich aber bricht Darius mit seinem Kriegs-Heer selber auf / und kömmt persönlich vor Babylon. (Zopyrus hatte es also mit ihm abgeredet:) Da zeucht Zopyrus mit der Babylonier Heer ihm entgegen / und liefert ihm nicht allein das Volck in die Hände / welches vom Dario erschlagen ward / sondern führet ihn auch in die Stadt. Also[77] ward Babylon die grosse Stadt vom Dario, durch Hülffe des Zopyri erobert und gewonnen.


Ist ein Exempel eines treuen Dieners.

Süssen Worten soll man nicht allezeit trauen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 76-78.
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