48. Des [78] Psammeniti Beständigkeit im Unglück.

Als der Perser König / Cambyses, die grosse Stadt Memphim belagert / und nachmals auch erobert hatte / da hat er den Psammenitum König in Egypten / mit seinen Kindern / und viel tausend andern Personen /jung und alt gefangen genommen Psammenitum und etliche andere Egyptier aber hat er in die Vorstadt gesandt / und auf folgende Art ihr Herz erfahren wollen:

Erstlich hat er des Psammeniti Tochter mit Königlichen Kleidern angethan / in der Hand einen Eymer tragend / hingesandt Wasser zu holen / und ebenermassen mit ihr viel Jungfrauen / der andern Egyptier Töchter: Wie diese alle für ihren Eltern seynd fürüber gangen / haben sowol die Töchter / als die Eltern überlaut geheulet und geweinet / ausgenommen Psammenitu ist mit niedergeschlagenen Augen still gestanden. Bald hernach hat Cambyses gleicher massen lassen herkommen des Psammeniti Sohn / deme die Hände mit Stricken gebunden / um den Hals einen Strick / und im Munde einen Zaum und Gebiß habende / und mit ihm 2000. der Egyptier Knaben gleiches Alters. Wie diese auch für ihren Eltern fürüber gangen / haben sie beyde die Alten und Kinder sehr zu weinen und schreyen angefangen: Aber Psammenitus hat still geschwiegen die Augen abermal nach der Erden kehrend; Wie das geschehen / ist auch fürüber geführet worden ein alter[78] greißgrauer Mann / des Psammeniti guter Freund und Zech-Bruder / als diesen der Psammenitus gesehen / hat er nicht wie zuvor still geschwiegen / sondern überlaut und jämmerlich zu weinen angefangen. Solches ist dem Könige Cambysi hinterbracht: Der hat hingeschickt / und um die Ursach solches Weinens den Psammenitum fragen lassen. Nemlich / warum er nicht vielmehr geweinet über seine junge Kinder / sondern nur allein um diesen alten Mann / der doch nicht lange mehr leben könte / und ihm nicht befreundet wäre? Da hat Psammenitus geantwortet: Saget dem Könige Cambysi; Domestica mala esse majora lachrymis: Eigen Unglück an den Kindern erleben / sey grösser / als daß es mit Thränen könte gnugsam beweinet werden. Solche Antwort hat dem Cambysi sehr wohl gefallen: Und derhalben befohlen / daß man des Psammeniti Sohn solte beym Leben lassen: Aber er war schon mit dem Schwerdte getödtet. Darauf hat Cambyses den Psammenitum zu sich bringen lassen / und ihn bey sich behalten in grossen Ehren / so lange er gelebet.


1. Im Creutz und Unglück soll man standhafftig seyn. 2. Die Liebe zwischen den Eltern und Kindern ist über die Massen groß. 3. Kein grösser Hertzeleid kan Eltern widerfahren / als wann sie sehen / daß es ihren Kindern schmertzlich und übel gehet.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 78-79.
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