49. [79] Gygis Ring von wunderbarer Krafft.

Der Philosophus Plato schreibet in seinen andern Buche de Republic eine solche Historiam vom Gyge.

Gyges war ein Schaaf-Hirte in Lydia. Wie derselbe auf dem Felde einsmals seiner Schaafe wartete / da erreget sich unverhofft ein groß Ungewitter mit Donner /[79] Blitz und Platz-Regen / also / daß durch ein Erdbeben die Erde sich aufthät und zerspaltete / und eine grosse Klufft oder Höle in derselben ward. Gyges hat sich erkühnet / und ist in die Höle gegangen / darinnen er sehr viel seltzame Wunder-Dinge gesehen /und unter andern ein grosses Pferd von Ertz gemachet / welches inwendig hohl war: In dieses Pferds Seiten war ein Fenster / dadurch Gyges ins Pferd hinein gesehen / und ist gewahr worden eines verstorbenen grossen darin verschlossenen männlichen todten Cörpers / gantz nackend ohne einige Zierath / ausgenommen einen Ring am Finger habend: Denselben Ring hat Gyges dem todten Cörper abgezogen / und ist damit weggegangen. Indem aber Gyges diesen Ring an seinem Finger träget / wird er gewahr / daß er unsichtbar wird / und daß keiner von den Umstehenden vermercket / daß er gegenwärtig sey. Hat demnach des Ringes Krafft besser probiret und in acht genommen /auch befunden daß / so offt er den edlen Stein des Ringes gegen seinen Leib kehrete / er unsichtbar wurde / so offt er ihn aber von seinem Leibe kehrete /wieder sichtbar wurde. Hernach hat er sich an den Hof des Königs der Lydie verfüget / sich / so offt er gewolt / unsichtbar gemacht bey der Königin geschlaffen / den König endlich selber umgebracht / und die Königin hinwieder gefreyet / und ist also aus einem Schaaf-Hirten durch Hülffe dieses Ringes / ein König worden. Daher ist das Sprichwort kommen: Er hat Gygis Ring / welches von einem glückseligen Menschen / der alles / was er nur wünschet / erlangen kan / gesaget wird.


Unsichtbar machen ist weder in der Natur / noch in menschliche Kunst. Der Teuffel ists / welcher seine Kunst in seinen Diener practiciret.

[80] Der Christen Ring ist die Gnade GOttes in Christo JEsu / die in ihrem Hertzen durch den Heiligen Geist versiegelt wird. Dann wann sie die haben / haben sie alles /was sie nur wünschen mögen / etc.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 79-81.
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