50. Unterschiedliche Zünffte der alten[81] Philosophen.

Unter allen Ständen und Secten der weisen Männer /die man Philosophos nennet / seynd die nachfolgenden fünffe die Fürnehmsten gewesen.

1. Die ersten und ältesten seynd die Pythagoræi, deren Haupt gewesen Pythagoras, ein Mann von solcher Weißheit und Ansehen / daß alles / was er gesagt / von seinen Schülern aufgenommen / als wanns GOtt selber geredet hätte. Man hat auch nicht gefraget warum? Sondern sie haben alles vertheidigt mit dem Worte ἀυτὸς ἔφα: Er hats gesagt. Es haben aber des Pythagoræ Schüler fürs erste fünff gantzer Jahr stillschweigen / und nichts reden oder fragen / sondern allein zuhören müssen. Dieses haben sie geheissen έχεμυϑἰαν, oder silentium Pythagoræum quinquennale.

2. Hernach folgen die Academici, deren Haupt gewesen Plato, welcher zu Athen / an einem Ort Academia geheissen / gelehret: Daher sie / diese Philosophi, ihren Nahmen bekommen. Der Plato aber / wie er 81. Jahr alt gewesen / ist / indem er gegessen und geschrieben / gestorben.

3. Die Peripatetici haben ihren Anfang vom Aristotele. Es war aber Aristoteles ein Schüler des Platonis, und ward hernach Præceptor des grossen Alexandri, Aristoteles, wann er lase / oder seine Zuhörer[81] unterwiese / gieng allezeit spatzieren / und verrichtete also seine Profession im gehen: Daher er genennet ward πέιπατητικὸς, das ist Spatzierer und seine Discipuli, Peripatetici. Als dem Könige Philippo Allexander gebohren ward / hat Philippus gesagt: Er schätzte sich glückselig / nicht so sehr darum / daß ihm Alexander gebohren wäre / als daß er zur Zeit des Aristotelis gebohren wäre. Und wie Alexander vom Aristotele in aller Weißheit unterrichtet ward / hat Alexander gesagt: Er wisse dem Aristoteli viel grössern Danck / als seinem eigenen Vater: Dann von seinem Vater habe er nur bloß das Leben / aber vom Aristotele habe er / daß er ein vernünfftiger weiser König wäre.

4. Die Stoici haben zum Haupt gehabt Zenonem. Der hat gelehrt an einem Orte / genannt Stoa: Davon die Stoici ihren Nahmen haben. Unter allen Philosophen sind keine so nahe kommen dem wahren Christenthum / als diese. Dann sie haben gesagt: Der Leib wäre nichts: Vielweniger die leiblichen Güter: Sondern der Mensch und dessen Vollkommenheit bestehe in der Seelen / und deren Tugend; Die Stoici haben sich beflissen frey und ledig zu seyn von allen Affecten. Sie haben nicht gezürnet: Nichts gefürchtet; Sich nimmer betrübet um irrdische Dinge: Keine Schmertzen des Leibes geachtet: Das Gold und den Reichthum für gelben Dreck gehalten. Summa: Sie haben sich einig und allein beflissen / ihre Gemüther mit Tugend und Weißheit begabt zu machen.

5. Die letzten sind gewesen die Epicuræi. Ihr Nahmen und Ursprung haben sie vom Epicuro. Diese seynd den Stoicis gantz zuwider gewesen: Haben für ihr höchstes Gut gehalten die Wollüste des Leibes:[82] Nichts anders gethan / als gegessen / getruncken / geschlaffen: Das Gemüthe aber und die Seele nichts geachtet: Noch sich um einige Tugend oder Weißheit bekümmert. Daher sie auch genennet worden / Epicuri de grege porci.


So mancher Kopff / so mancher Sinn. Darum soll man wohl zusehen / wessen Meynung man bestimme / dann viele lehren / was ihnen im Sinn kömmet.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 81-83.
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