5. Wie die jungen Bursche sind zur Arbeit gewehnet und gehalten worden von den Alten.

[6] Der Pythagoras hat seine Schüler pflegen zu vermahnen / daß sie alle Tage zu Abend / ehe sie sich schlaffen legten / fleißig behertzigen solten diese folgende Stücke:


Quo prætergressus? quid factum in tempore? quid non?


Aus welchem Grunde und Brunnen der Virgilius seine Vers genommen und geschöpffet / in welchen er einen vollkommenen und weisen Mann abmahlet /von dem er saget:
[6]

Non prius in dulcem declinat lumina somnum,

Omnia quàm longè reputaverit acta diei.


Eben auf dieselbe Art habens auch gemacht die Gymnosophistæ, welche (wie jetzt gesagt) seynd gewesen Philosophi in Indien. Bey denselben / wann zu Mittage die Tische gedeckt waren / ehe man die Speise auftrug / haben sich die Schüler / die jungen Studenten alle müssen versammlen für den Tisch / und ein jeglicher erzehlen / was er den Tag guts verrichtet. Da hat der eine gesagt / wie er auf seiner Eltern Befehl etwas verfertiget: Der andere / wie er aus seinem Kopffe etwas neues erfunden: Der dritte / wie er etwas auswendig gelernet; Und dergleichen Dinge. Wann aber einer ist befunden worden / der nichts hat erzehlen können / derselbe hat müssen hungerig und ungessen weggehen.

Bey den Parthern ist ein alter Gebrauch gewesen /daß niemand den jungen Kindern das Morgenbrodt gegeben / ehe und bevor sie durch Lauffen und Pfeilschiessen sich also geübet / daß ihnen der Schweiß über die Nase geflossen. Gleicher massen schreibet Alexander ab Alex, daß in den Insulen Balearides die Mütter ihre Kinder von Jugend auf darzu gewöhnet /daß sie die Frühekost / oder sonst ander Essen, haben erstlich von fern mit einem Pfeil gerade treffen müssen / ehe sie es haben zu schmecken bekommen.


Der Mensch ist zur Arbeit gebohren / wie der Vogel zum fliegen. Der nicht arbeitet / soll auch nicht essen. Müßiggang ist des Teuffels Ruhe-Bette.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 6-7.
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