52. Exempel einer wahren getreuen Freundschafft zwischen [84] Damon und Pythia.

Was und wie viel die wahre unverfälschte Freundschafft vermöge / ist zu ersehen aus folgender Historia von Cicerone im dritten Buche Officiis, und vom Valerio Maximo erzehlet:

Damon und Pythias waren zween Jünglinge Pythagorischen Secten zugethan; Die hielten so grosse[84] Freundschafft mit einander / daß es schiene / nur eine Seele / ein Gemüthe / ein Wille zu seyn in zweyen Leibern. Zu den Zeiten lebte der grausame Tyrann Dionysius, der / ich weiß nicht aus was Ursachen /den Damonem zum Tode verurtheilete / und einen gewissen Tag ansetzete / an welchem er sterben solte. Damon, wie er merckte / daß er sterben müste / bat den Tyrannen / er möchte ihn hinreisen lassen nach seinen Eltern / da hätte er so nothwendige Sachen zu verrichten / die er keinen andern vertrauen oder anbefehlen könte. Und gelobete ihm / er wolte nicht allein gegen denselben Tag / darinn er sterben solte / gewißlich wieder kommen / und sich darstellen / sondern auch unterdessen seinen vertrauten Freund / Pythiam, an seine Stelle verlassen / und ihn zum Pfande setzen. Dionysius war hiemit zufrieden / ließ den Damonem ziehen: Pythias stellete sich willig für seinen Freund den Damonem ins Gefängniß / sich nicht weigernd auch für ihn zu sterben. O welch ein groß Vertrauen und getreue Brüderschafft! Der Tag des Urtheils kam herbey / darinn Damon sterben solte. Er blieb aber noch zur Zeit aus. Hierum bekümmerte sich Pythias gantz nicht / sondern wie der Tyrann Dionysius befahl / man solte Pythiam an statt des Damonis tödten / da ist er willig und gutes Muths zum Tode gegangen / nur daß er seinen Freund Damonem beym Leben erhielte. Aber siehe abermal ein Exempel der Brüderlichen Treue: Als Pythias solte niedersitzen / und sich das Haupt wegschlagen lassen / da kömmt Damon zugelauffen / schreyend er sey allda / man solte den Pythiam leben lassen. Diese Sache ist für den Dionysium kommen / der hat sich über die massen verwundert über dieser Treu und[85] Freundschafft: Und dieses getreue paar Freunde nicht allein frey und ledig gelassen / sondern auch gebeten / sie möchten ihn zum dritten Mann und Freund zu ihrer Gesellschafft nehmen.


Wol dem / der einen solchen Freund hat. Freunde in der Noth / Freunde im Todt / seynd ein köstliches Kleinod.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 84-86.
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