56. Welches das höchste Gut? Davon unterschiedliche Meynungen.

[91] Die Heydnischen Philosophi haben unterschiedliche Meynungen gehabt / worinn die Glückseligkeit des Menschen bestehe.

1. Der Æschines vermeynete / daß des Menschen beste Freude und höchstes Gut bestünde im Schlaffen. Dann wann er schlieffe / sagte er / so bekümmerte er sich nirgends um: Er empfände keine Schmertzen des Leibes: Keine Anfechtung des Geistes. Aber wie dieser Æschines einmal saß und schlieff am See Meotis, da ließ ein Adler hoch aus der Lufft auf seinen kahlen Kopff eine grosse Schnecke fallen / daß Æschines also im Schlaffe starb.[91]

2. Pindarus der berühmte Poet gab für / die höchste Glückseligkeit bestünde darinn / wann ein Mensch keine Schmertzen an seinem Leibe befünde.

3. Zeno saget / die menschliche Glückseligkeit bestünde darinn / wenn einer wohl ringen könte. Dann wie auf einmal die Egyptier ein Certamen Luctatorium hielten / da kam herfür ein fürnehmer Ringer /welcher alle andere zu Boden warff. Wie solches der Zeno gesehen / hat er mit diesem Meister zu ringen angefangen / und ihn / so offt er gewolt / an den Erdboden geworffen! Darüber der Zeno so grosse Freude empfunden / daß er öffentlich disputirte und erhielte /des Menschen Glückseligkeit bestünde an der Stärcke zu ringen und einen andern nieder zu werffen.

4. Die Corinthier satzten ihr höchstes Gut in spielen / und hielten es für eine grosse Ehre / wann sie ein Spiel gewonnen / als die Römer / wann sie eine Schlacht erhielten. Auf einmal als die Corinthier ihr Jahr-Fest begiengen / kam Chilo der Philosophus nach Corintho gefahren in die Stadt / und sahe jederman spielen: Es spielten die Knaben im Felde mit Ballen; Es spielten die Alten auf dem Marckte mit Würffeln und Karten. Es spielten die Weiber mit einander in den Gärten / tantzten und lieffen. Die Priester spielten und schossen mit dem Armbruste. Die Fechter übten sich auf der Fecht-Schul. In Summa es spielte alles / was in der Stadt war; Das war nach ihrer Meynung / ihre gröste Glückseligkeit.

5. Epicurus hielt seinen Bauch für seinen Abgott und bildete sich ein / es wäre keine grössere Glückseligkeit / als wann ein Mensch immer in Wollust / in Essen / Trincken / Buhlen / und dergleichen lebete.[92]

6. Andere seynd gewesen / die ihr höchstes Gut und Glückseligkeit in der Ehre gesetzet; Andere im Reichthum; Andere in Schönheit; Andere in Gesundheit /und dergleichen.

7. Aristoteles ist weiser als alle diese vorgemeldete gewesen: Derselbe hat recht und wohl gelehret / daß das summum bonum, und die höchste Felicität bestehe in der Tugend / nemlich wann ein Mensch nicht allein mit Weißheit und Tugend begabet / sondern auch das Leben und alle sein Thun nach der Tugend anstelle.


Am allerbesten aber lehren / wissen und glauben wir Christen / daß unser höchstes Gut und wahre Glückseligkeit bestehe in der Erkäntniß GOttes und JEsu Christi /und Vollbringung dessen Willens.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 91-93.
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