58. Von den Kunstreichen Meistern [94] Stasicrate und Archimede.

Hephæstio war einer von den besten Freunden und getreuesten Gefehrden des grossen Alexandri.[94] Wie derselbe nun starb / da verordnet Alexander 60. mal hundert tausend Ducaten zum Begrabniß / und zum Gedächtniß des Hephæstionis: Ließ auch unter andern zu sich fodern den trefflichen und kostbahren Meister Stasicratem, der das Monumentum verfertigen solte. Dieser Stasicrates gab dem Alexandro an die Hand / daß der Berg Athos so eine bequeme Figur und Gelegenheit hätte / daß man zum Monumento des Hephæstionis nichts bessers antreffen möchte. Dann er wolte den grossen Berg also formiren / und ihm zwo Hände anmachen / daß er einem Menschen gleich würde / ja daß er die Gestalt des Hephæstionis kriegte. In der Lincken solte er haben eine grosse Volckreiche Stadt: Aus der rechten Hand solte heraus fliessen ein grosser Schiffreicher Fluß / darauf man ins Meer fahren könte. Laß mir das einen Meister seyn! Diesen hat dennoch übertroffen der Archimedes, ein Fürst aller Mathematicorum. Als der König Hieron bey Syracusa ein grosses ungeheures Schiff hatte bauen lassen / und dasselbe nun in die See solte gebracht werden / da hat es mit keiner Macht wegen der Grösse und Schwere von der Stelle können bewegt werden. Archimedes ist zum Könige gegangen / und hat zu ihm gesagt: Er wolte es machen / daß der König allein mit einer Hand daß Schiff solte ins Meer bringen: hat alsobald seine Mathematische Instrumenta herfür gebracht / und so viel dadurch verursachet / daß der König alleine ohne einige Hülfe das Schiff vom Lande gestossen / welches etliche tausend Menschen zuvor nicht hätten verrichten können. Dieses war nicht genug; Besondern Archimedes traute seiner Kunst dermassen / daß er zum Könige[95] sagte: Er solte ihm einen Stand geben ausserhalb der Erden / so wolte er den gantzen Erdboden aus seiner natürlichen Stelle hinwegrücken.

Ein anderer Kunstmeister gab sich einmal bey dem grossen Alexandro an / verhoffende grosse Verehrung zu gewinnen. Er ließ ihm von ferne fürhalten etliche spitzige Nehe-Nadeln / und nahm die Hand voll Linsen oder Erbsen / warff eine Erbse nach der andern also daß sie auf der Spitze der Nadel bestecken blieben. Alexander / nachdem er solches gesehen / hat befohlen man solte diesem Meister zur Verehrung ein kleines Maaß voller Erbsen geben / und nichts mehr. Also geringschätzig hat er diese Kunst gehalten.


Menschliche Vernunfft vermag viel mit ihrer Kunst. Meiste von Brodlosen Künsten seynd dem gemeinen Besten nichts nütze.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 94-96.
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