60. Von der [98] Naphtha.

Naphtha ist eine ölhafftige Fettigkeit / und so wunderlicher Natur / daß sie sich auch entzünde vom blossen Schein des Feuers oder des Lichtes / ob sie schon kein Feuer anrühret: Zündet auch beneben sich umher die Lufft an. Wie Alexander Magnus durch Babylonien gezogen / und das gantze Land überwunden hatte / da haben die Barbaren dessen Orte ihm die obbesagte wunderliche Natur der Naphtha zeigen wollen. Haben derhalben auf der Stadt Gassen / neben welcher Alexander sein Logiament gehabt / etliche wenige Tropffen der Naphtha gesprenget: Bald eine angezündete Fackel genommen / und[98] sich nach derselben Gassen begeben. Da hat sich zur Stund und im Augenblick die Lufft angezündet / dergestalt / daß es eitel Feuer und Flamme zu seyn geschienen / von dem einen Ende der Gassen biß zum andern. Nun hatte der Alexander bey sich einen jungen schönen Knaben /der ihm pflegte vorzusingen: An demselben wolten des Alexandri Hof-Leute dieser Naphthæ Krafft auch probieren / welches ihnen denn Alexander vergönnete / und der junge Knabe auch selber Lust dazu hatte. Also / wie sie alle nackend im Bade sassen / ward der Knabe mit der Naphtha bestrichen auf seinem blossen Leibe: So bald der Badstüber oder Bader mit der Fackel ins Bad kam / (denn es war zu Abend oder Nachtzeit) da ward die Lufft zur Stund entzündet; Der Knabe fieng an zu brennen / und gantz und gar mit Flammen umringet zu werden: Dahero auch Alexander selbsten in grossen Sorgen stund; Und wann die andern mit Wassergiessen und häuffigem Netzen dem Knaben nicht wären zu Hülffe kommen / wäre er zweiffels ohne gantz verbrennet. Er ist aber nach der Zeit niemals recht gesund worden. Hierdurch sind etliche bewogen worden zu glauben / daß das Gifft /damit Medea die Krone und Schleyer hatte gestrichen / (davon in des Jasonis Historia Meldung geschehen /) sey nichts anders gewesen als dieses Naphtha. Dann als des Jasonis junge Beyfrau diesen Schleyer angezogen / und die Krone aufs Haupt gesetzt / ist sie lebendig darinn verbrannt / dieweil man mit der Fackel zu ihr gelang / davon die Lufft so schleunig entzündet / daß es kein Mensch hat mercken können /woher es käme. Diese Ursach der schleunigen Anzündung ist / dieweil[99] aus der Naphtha herfür rauchen sehr truckene / subtile Spiritus, die nicht allein leichtlich anbrennen / sondern ziehen auch zu sich / aus Gleichheit der Natur / des Feuers Flammen. Daß aber diese Naphtha in Babylonien so häuffig herfür quillet / ist nicht zu verwundern / weil das Erdreich daselbst so trucken und heiß / daß auch die auf die Erde geworffene Gersten-Körner von sich selber tantzen / und regen / als lebten sie. Die Einwohner können auch sonsten sich nicht schlaffen legen / sondern seynd gezwungen / grosse lederne Säcke mit Wasser zu füllen / und unter ihre Häupter zu legen / darauf sie als auf Küssen schlaffen / wie solches beym Plutarcho, im Leben Alexandri Magni, zu lesen.


Viel grosse Wunder-Dinge seynd in der Natur. Glückselig ist der / so die Ursachen derselben verstehet.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 98-100.
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