7. Die sieben Wunderwercke der alten Welt.

[8] Es werden beschrieben und hochgerühmet von den Historicis die sieben Wunderwercke der Welt als nehmlich: Erstlich die Mauer zu Babylon / gebauet von der Königin Semiramis, deren Umkreiß in sich begriffen 12. teutscher Meilen und ein Stadium: Die Höhe ist gewesen von 120. Ellen: Die Dicke 30. Ellen; Oben auf ist ein Weg gewesen / so breit / daß zwey grosse Wägen einander haben begegnen und vorbey fahren können / und doch noch so viel Rhums übrig / daß grosse Bäume und Weinstöcke / als in einem Walde darauf gewachsen.

Das ander Wunderwerck ist gewesen das grosse Bild / oder Colossus der Sonnen / in der Insul Rhodo, gelegen im Mittelländischen Meer. Ist ein Bild gewesen aus Stein gehauen (oder wie andere melden / von Ertz /) einem Manne gleich / so groß und hoch / daß es in die Wolcken gereichet / zwischen dessen beyden Füssen die grössesten Schiffe haben durchsegeln können mit ausgespanneten Segeln.

Das dritte Miraculum seynd gewesen die Pyramides, derer zwar unterschiedliche in Egypten gestanden / der fürnehmste aber von der Cleope aufgebauet /von welchem Herodotus Meldung thut / daß an demselben gebauet haben hundert tausend Menschen zwantzig Jahr lang / und seynd verzehret worden / nur an Rettig / Knoblauch und Zwiebeln / unter der Arbeit / ein tausend sechs hundert Talenta werth / das ist / neun hunderttausend / und sechtzig tausend Kronen: Seynd bey die vier und zwantzig Tonnen Goldes. Was ist dann über das noch gewandt an andere Kost? An Eisenzeug? An Kleidung der Arbeiter? Es sind aber die Pyramides gewesen hohe Thürne / viereckicht / unten[9] breit / oben spitzig / inwendig nicht hohl / sondern gantz von Steinen / Treppenweiß aufgebauet / unter welchen die Könige in Egypten ihre Begräbniß gehabt.

Das vierdte Wunderwerck ist gewesen / das grosse stattliche Gebäu Mausoleum genannt / welches die Königin Artemisia des Landes Cariæ ihrem Herrn und Ehegemahl Mausoleo, da er verstorben / zum Gedächtniß hat aufgerichtet: Dessen Mausolei Cörper zu Aschen verbrannt / die Artemisia aus grosser Liebe in ihr Getränck gethan / und davon täglich getruncken.

Das fünffte ist gewesen der Tempel der Göttin Dianæ zu Epheso / aus eitel Schnee-weissen Marmor gebauet / so sehr berühmet / daß auch in der Apostel Geschicht seiner gedacht wird.

Das sechste ist gewesen das Bild des Jovis in der Stadt Olympia in Griechenland / genannt Jupiter Olympicus, zu welches Ehren die Spiele Olympia seyn gehalten worden.

Das letzte und siebende Wunderwerck ist gewesen das hohe und künstliche Gebäu / Pharos, in der kleinen Insul Pharos, in Egypten gelegen / welches ist gemacht aus reinen weissen Steinen / mit viel Bühnen / darauf man zu Nachzeiten hat brennende Fackeln gesetzet / zu dem Ende / daß die Schifffahrende möchten zu nächtlicher Weile ein Zeichen haben / darnach sie ihre Reise und Schiffart könten ohne Gefahr und glücklich vollführen. Es ist so hoch gewesen / daß man das Licht darauf hat sehen können über 40. Meilweges. Von diesem Pharo werden heutiges Tages Phari genennet die Leuchten / so man an der See aufgerichtet / und für diesem zu Waryemünde am Rostockischen Seehafen auch eine dergleichen gehabt.


[10] Solche und dergleichen mächtige Wercke zeigen an /was menschliche Kunst / Arbeit und Hoffart vermag. Horat. Nil mortalibus arduum est; Cœlum ipsum petimus stultitia. Aber wo seynd diese grosse Wunderwerck jetzund? Alle zu nichts zu Aschen und Staub sind sie worden / daß auch die Städte nicht zu finden / wo sie gestanden.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 8-11.
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