77. Vom Untergang der Stadt Troja / und dem Trojanischen höltzernen Pferde.

[134] Als die Stadt Troja von den Griechen schon zehen gantzer Jahr belägert gewesen / und nunmehr die Götter über dieselbe beschlossen / daß sie gewonnen /zerstöret / und in die Asche solte geleget werden; Da haben aus Rath und Angeben der Göttin Pallas, die Griechen von Holtz ein groß ungeheures Pferd inwendig hohl gebauet / und darein den Ausschuß ihrer besten und behertztesten Soldaten verstecket / welche durch eine heimliche im Bauche des Pferdes gemachte Thür / aus und ein kommen konten / wanns ihnen beliebete. Wie diß Pferd fertig / haben[134] sie diese List erdacht / das Pferd mit denen eingeschlossenen Soldaten / derer Anführer war Ulysses, haben sie in ihrem Lager nahe bey der Stadt Thor stehen lassen: Seynd etwas zurück gezogen / biß ans Gestade des Meers /und sich gestellet / als wären sie gantz abgewichen. Bey dem Pferde haben sie gelassen einen verzweiffelten Buben und Waghalß Sinon genannt / derselbe solte den Anschlag ferner fortsetzen. Die Trojaner in der Stadt seynd dieses Pferdes / einem hohen Berge gleich / ansichtig worden / auch gesehen / daß die Griechen ihr Läger verlassen / und niemand mehr vorhanden: Dadurch bewogen häuffig aus der Stadt zu gehen / und das Wunder-Pferd zu beschauen. Da ist ihnen der Verräther Sinon, der sich selbst verwundet /und sonsten mit Schlägen übel zugerichtet hatte / die Hände auf den Rücken gebunden / entgegen gekommen / alsobald für die Obristen der Stadt Troja geführet und gefraget worden / was das ungeheure Pferd bedeutete? Wo die Griechen hingewichen? Wer ihn (den Sinonem) so übel zugerichtet hätte? Sinon hat aus falschem Hertzen sich sehr kläglich / und als wäre dieses Ubel ihm von den Griechen angethan / gestellet / und ferner berichtet / daß es mit dem Pferde eine solche Beschaffenheit hätte / und von den Göttern also versehen wäre: Würden die Trojaner das Pferd / als der Göttin Palladis Werck / mit Reverentz in die Stadt nehmen / so würde Troja und das Trojanische Reich von allem Ubel befreyet / und zu ewigen Zeiten bleiben und floriren. Würde man aber dem Pferde Leid zufügen / so würde gewiß die Stadt zu Grunde gehen und zerstöret werden. Diese Rede ist den Trojanern zu Hertzen gangen. Und obwol etliche[135] Warsager / und andere verständige Leute widerriethen / daß man das Pferd nicht annehmen / sondern zuhauen und zu nichte machen solte / so seynd doch die meisten der Meynung worden / das Pferd in die Stadt zu bringen. Darauf hat man die Thore und Stadt-Mauren niedergerissen / und das grosse Pferd mit grossem Frolocken hinein gebracht. Und ist die gantze Stadt am selben Tage mit Frölichkeit / Fressen / Sauffen und Spielen schier ersoffen. Nachdem die Nacht herankommen / und alles Volck in der Stadt vom Schlaffe und Wein eingenommen / und nunmher der Feind einen freyen Eingang durch die abgebrochene Mauren in die Stadt bekommen / da seynd die Soldaten durch die heimliche Thür aus dem Bauche des Pferdes herfür getreten /den andern Griechen durch ein angezündetes Feuer die Losung und Zeichen gegeben: Welche auch alsobald in die Stadt gefallen / und allda nicht allein die schlaffenden und trunckenen Trojaner allesamt / wie nicht weniger den König / die Königinne / und deren Söhne und Töchter / als alle andere Alte und Junge /Manns und Weibspersonen niedergehauen / sondern auch den schönen Königlichen Pallast Ilium, und die gantze Stadt Trojam in Brand gestecket / und also zu Aschen gemacht / daß man auch die Stätte / da Troja gestanden / kaum mehr erkannt. Der massen ist die Stadt Troja nach einer zehenjährigen Belägerung erobert / und durch Einnehmung des grossen höltzernen Pferdes geschleiffet worden / welches dahero den Nahmen eines Trojanischen Pferdes jederzeit behalten.


Wann GOTT eine Stadt will lassen untergehen / so hilfft kein Witz noch Widerstand / und werden alsdann die Klugen zu Narren.

Krieg ist eine grosse Plage / dadurch werden verwüstet und verzehret Länder / Leute und Städte.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 134-136.
Lizenz:
Kategorien: