78. Etliche von den alten hochberühmten Mahlern / [136] Protogenes, Apelles, Zeuxis, Parrhasius.

Es seynd zu alten Zeiten der hochberühmte Mahler gewesen / Protogenes, Apelles, Zeuxis und Parrhasius, derer Lob bis in den Himmel erhoben / und noch heute unsterblich ist. Von denen will ich etliche Kunst-Stücklein erzehlen.

Der Protogenes wohnete in der Insul Rhodo: Dahin reisete auf einmal Apelles, Protogenem zu sehen / und mit ihm Kundschafft zu machen. Wie er dahin kam / gieng er in des Protogenis Hauß; Fand ihn aber selber nicht daheim / sondern nur ein altes Weib / welches das Hauß verwahrete. Da ward er gewahr eines Gemähldes auf einer Tafel / welches an der Wand hienge. Das Weib fragte ihn / wer er wäre /auf daß sie ihrem Herrn möchte Bericht geben / wenn er zu Hause käme. Apelles nimmt einen Pinsel / und ziehet mit Farben eine aus dermassen subtile Linie über die gemahlte Tafel / und gehet damit hinweg. Protogenes kommt zu Hause / und wird berichtet von der alten Frauen alles / was sich mit dem Apelle hätte zugetragen: Protogenes, nachdem er die Linie beschauet / spricht er: Warlich / Apelles ist in Rhodum gekommen. Dann niemand hat solchen kunstreichen Strich thun können. Alsbald nimmt Protogenes auch einen Pinsel / und ziehet mitten in des Apellis Strich eine andere Linie mit Farben / noch subtiler als die vorige: Befiehlet hiemit der Alten / wann der Mann wiederkäme / solte sie ihm dieselbe zeigen und sprechen / dieser ist es / welchen du suchest. Kurtz[137] hernach kommt Apelles wieder / dem ward vom Weibe der gemachte Strich gezeiget. Apelles schämete sich /daß er solte überwunden werden: Nahm derhalben wiederum den Pinsel / und zoge noch einen subtilern Strich mitten in des Protogenis Strich / also daß es nicht möglich war solchen zu verbessern / oder subtiler zu machen: Gehet damit von dannen. Protogenes wiederkommend / siehet das Kunst-Stücklein / und bekennet / er sey von dem Apelle überwunden: Läuffet hin nach dem Meer-Hafen / suchet den Apellem, und findet ihm endlich. Führet ihn in sein Hauß / und erzeiget ihm alle Freundschafft.

Ferner derselbe Apelles ward durch Ungewitter /wie er auf dem Meer segelte / getrieben auf Alexandriam, allda er sehr viel Mißgönner / auch den König selbst zum Feinde hatte. Wie es kund worden / daß Apelles allda angelanget / ist einer von des Königes Hofleuten / aus Schimpff und Abgunst / zu dem Apelle gegangen / ihm angedeutet / der König ließ ihn bitten / er wolle kommen und zu Mittage mit ihm Mahlzeit halten. Apelles gehet zu bestimmter Zeit hin. Wie er in den Königlichen Saal kommen / ward er mit Spott und Gelächter gefraget: Wer ihn dahin gebeten oder beschieden: Er antwortet / es sey einer von den Hofleuten gewesen / so vom Könige an ihm abgesandt. Der König lässet alle seine Diener zusammen ruffen / und befiehlet dem Apelli, demselben kund und offenbahr zu machen / und zu zeigen / welcher ihn gebeten. Weil nun solcher nicht unter dem Hauffen war /sondern sich abgesondert hatte / so gehet Apelles hin zum Feuer / das in dem Fürstlichen Gemach war / ergreiffet eine Kohle / löschet die aus / gehet hin nach der Wand / und fänget[138] an abzumahlen die Gestalt desselben / der ihm den Königlichen Befehl anbracht hatte. Ehe Apelles das Conterfey noch vollendet / da erkennent / der König und alle seine Diener / wer derselbe gewesen wäre: Dadurch der König bewogen /den Apellem nicht allein zur Mahlzeit bey sich zu behalten / sondern auch denselben hernacher in grossen Ehren zu halten.

Bey demselben Plinio, (daraus wird diß gezogen) befindet sich auch folgende Geschicht: Die beyden Meister / Zeuxis und Parrhasius, stritten zusammen in ihrer Kunst / und wolte ein jeglicher der Kunstreichste seyn. Zeuxis hatte so artig und natürlich etliche Weintrauben gemahlet / daß auch die Vögel zugeflogen kamen / und meyneten / es wären warhafftige Trauben. Darüber ist Parrhasius kommen und hat für die Trauben und Gemählde einen gar subtilen Fürhang oder eine Decke gemahlet. Zeuxis bildete sich ein / er hätte gewonnen / weil auch die unvernünfftigen Vögel durch seine Kunst betrogen waren: Befahl derhalben / damit jederman seine Kunst sehen könte /man solte den Fürhang für dem Gemählde wegthun: Lieff auch selber hin / vermeynend es wäre ein warhafftiger Fürhang / und fieng an zu ziehen: Endlich ward er gewahr / daß es nur gemahlet. Da hat er überlaut geruffen / du hast mich überwunden / Parrhasi, dann ich habe die Vögel / du aber einen Menschen /ja den Meister selber betrogen.

Hernacher hat Parrhasius auch auf eine Tafel etliche Weintrauben gemahlet / welche ein Knabe im Korbe trug / da seynd gleichfalls die Vögel hinzu geflogen / die Trauben zu essen. Parrhasius aber ist auf sich selber zornig worden / sprechend: Die Trauben sind besser gemahlet als der Knabe: Dann wäre der[139] Knabe vollkommen gemacht / so hätten sich für ihm die Vögel gescheuet / und wären nicht hinzu geflogen.


Der eine Künstler übertrifft den andern. Niemand ist so vollkommen / er findet seinen Meister.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 136-140.
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