80. Das Wunder-Thier [141] Sphinx, dessen Rätzel vom Oedipo aufgelöset.

Bey der Stadt Thebe im Griechenland / war ein ungeheures seltzames Wunder-Thier / Sphinx geheissen /welches allen / so fürüber giengen / folgendes Rätzel aufzulösen fürgab:


Des Morgens hats vier Füsse /

Des Mittags zwey Füsse /

Des Abends drey Füsse.


Wer nun auf diß Rätzel nicht konte antworten /oder demselben gnug thun / der ward vom Sphinge zerrissen und aufgefressen. Endlich ist der Oedipus, ein sehr verständiger Mann / hinzugetreten: Der hat des Rätzels Bedeutung erfunden / und es also aufgelöset: Der Morgen ist die Kindheit menschlichen Alters / alsdann so kriechet das Kind auf Händen und Füssen / und ist also vierfüßig.

Der Mittag ist das Mittel-Alter / darinn der Mensch gehet auf zwey Füssen / wie sichs gebühret.

Der Abend ist das hohe Alter / alsdann pfleget man am Stabe zu gehen / und also gleichsam drey Füsse zu haben.

Von dieser Fabel hat seinen Ursprung genommen das gemeine Sprichwort / Davus sum, non Oedipus. Dann Davus ist ein Knecht und unverständiger Diener beym Terentio.


[141] Klugheit ist besser denn aller Welt Gut / und errettet manchem sein Leben.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 141-142.
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