93. Historia vom Harffen Schläger [162] Arion.

Arion ist ein berühmter und ausbündiger Harffen-Schläger gewesen / ein grosser Freund des Periandri, Königs zu Corintho / an dessen Hofe er meistentheils sich aufgehalten. Dieser Arion ist auf einmal nach Italien und nach der Insul Siciliam geschiffet: Allda er durch seine Kunst und Music einen mächtigen grossen Schatz an Gold und Silber verdienet und gesammlet. Wie er nun vermeynete reich genug zu seyn / hat er sich mit allem seinem Schatz wiederum auf ein Corinthisch Schiff verfüget / des Fürhabens wiederum nach seinem Könige Periandro zu reisen. So bald das Schiff aufs weite Meer kommen / haben sich die Schiff-Leute unternommen / den Arionem zu tödten / und ins Meer zu werffen / auf daß sie seines Geldes konten theilhafftig werden. Arion hat solches gemercket / und gebeten / sie möchten seines Lebens schonen / er wolte ihnen gutwillig alles geben. Die Schiffer haben hierinn so fern bewilliget / daß sie Arionem nicht mit ihren Händen getödtet / sondern ihm befohlen / er solte sich selber ins Meer stürtzen. Worauf Arion seine beste Kleider angezogen / seine Harffe in die Hand genommen / auf das förderste Theil des[162] Schiffs getreten / auf der Harffen zu schlagen / und sehr künstlich zu musiciren angefangen /und hiemit sich die Harffe in der Hand habend / ins Meer gestürtzet. Die Schiffer seynd davon gesegelt /nicht zweiffelnde / Arion würde schon ersoffen seyn. Siehe / da trägt sich eine wunderliche Geschicht zu: Es kommt ein Meer-Schwein heran geschwommen /nimmt den Arionem auf seinen Rücken / und führet ihn unverletzt / lebendig und gesund / mit solchem seinem Zierath und Habit nicht ferne von Corintho ans Land. Bald verfügt sich Arion nach dem Könige Periander, erzehlet ihm alle Sachen: Unterdessen kommen die Schiffer auch nach Corinthum. Der König lässet den Arionem heimlich verwahren: Die Schiffer aber zu sich fordern / welche er fragt: Ob sie nichts vom Arione gehöret? Da antworten sie: Ja / er sey in Italia in grossen Ansehen und Reichthum. Indem ist Arion mit seinen schönen Kleidern / und Harffen-Spiel herfür getreten / und hat sich von den Schiffern sehen lassen. Über welches Spectacul die Schiffer also bestürtzet worden / daß sie die That nicht leugnen können / darum der König sie billig gestraffet.


Der etwas redliches gelernet hat / bleibet wol. Artem quævis terra alit. Unterdessen haben die Gelehrten auch ihre Feinde und Verfolger / die doch endlich zu schanden werden.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 162-163.
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