96. Vom güldenen Apffel [166] Eridis.

In den alten Zeiten ward einsmals Hochzeit gehalten von Thetide und Pello, zwey jungen Eheleuten / zu welcher Frölichkeit alle Götter und Göttinnen geladen waren / ausgenommen die Göttinne Eris, das ist /Zwietracht: Solches verdroß die Eris sehr. Demnach /da die andern lustig waren auf der Hochzeit / hat die Eris einen Apffel genommen / von klarem Golde gemacht / darauf geschrieben: Detur pulcherrimæ, und solchen Apffel durch ein Fenster unter die Göttinnen und Hochzeit-Gäste geworffen. Alsbald hat sich ein Streit erreget / indem eine für der andern als die Schönste angesehen seyn / und den Apffel hinwegtragen wolte. Für andern aber haben sich die drey Göttinnen / nemlich / Juno, die Göttin des Reichthums / Minerva, die Göttin der Weißheit / und Venus, die Göttin der Liebe / nicht über diesen Apffel vertragen können / da hat der Gott Jupiter einen Rath fürgeschlagen / sie solten alle drey sammt den Apffel hinreisen / nach dem Berge Ida, zu einem jungen Schaaf-Hirten (welcher eines Königs von Troja Sohn war) Nahmens Paris, derselbe würde das Urtheil fällen /welcher von den dreyen Göttinnen der Apffel gebührete. Juno, Minerva und Venus seynd zum Paride kommen / ihm den Apffel gezeiget und überreichet /da hat ihm Juno verheissen / wofern er ihr würde den Apffel geben / und sie für die Schönste schätzen /wolte sie ihn reicher machen / als alle Könige auf Erden: Minerva hat ihm versprochen alle Weißheit und Künste mitzutheilen / die je ein Mensch gewußt. Venus hat ihm gesagt / sie[166] wolte ihm zuwege bringen die schönste Frau von gantz Griechenland. Hat ihm auch alsbald sein Hertze mit Liebes-Flammen entzündet. Paris liebende / und nicht wissend was / hat Veneri den Apffel überreichet / und also dieser drey Göttinnen Streit geschlichtet. Darauf ist Paris aus Rath der Veneris hingereiset nach der schönen Helena, eine Frau des Königes Meneali: Hat dieselbe mit allem ihrem Schatz / von Gold und Silber zu seinem Vater und Freunden in die Stadt Trojam weggeführt. Hierauf hat Menelaus das gantze Griechenland aufgebracht / und ist mit einem grossen Kriegs-Heer für Trojam gerücket; Daß demnach daraus entstanden der Trojanische Krieg / welcher zehen gantzer Jahr lang gewähret. Also ist der Apffel Eridis eine Ursache gewesen grosser Zwiespalt / und eines hefftigen Krieges. Daher kömmt das Sprichwort: Pomum Eridos, von einem Dinge / woraus groß Unheil und Streit enstehet.


Zäncker soll man von den Gastgeboten und Hochzeiten weglassen. Der Teuffel ist ein rechter Zanck-Geist. Man soll um schnöder Liebe Willen kein unrechtes Ur theil fällen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 166-167.
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