18. Wie Käyser [671] Maximilianus I. einen seiner Diener beschämet hat.

Kayser Maximiliano I. dieses Nahmens ward einsmahls in einer vornehmen Stadt ein groß Pocal voller Ducaten præsentiret / die ließ er in seinem Käyserlichen Gemach auff die Taffel setzen. Nun geschahe es / daß eben zu der Zeit öffentliche Schauspiel dem Käyser zu Ehren gehalten wurden / welchen so wol der Käyser / als auch seine Officianten fleißig zusahen / und deßwegen ein jeglicher seinen Ort am Fenster innen hatte / unterdeß stund der Pocal mit den Ducaten auff den Tisch. Das stach einen von des Käysers Officianten in die Augen / und weil er vermeynet / der Käyser und die / so bey ihm waren / geben nur auff die Schau-Spiel Achtung / stellet er sich / als wann er Ehren halben einem andern seine Stelle am Fenster überließ / machte sich auf die Seite / und nahm aus dem Pocal so viel Ducaten / als er in der Eil mit der Hand ergreiffen und fassen kunte / und steckt sie geschwinde in den Sack / der Hoffnung / daß keiner würde solchen Diebstahl vermercket haben. Aber der Käyser hatte einen Ring an dem Finger / mit dem Edelgestein Fengitis besetzet / darinn konte er sehen /was hinter dem Rücken geschahe / und hatte dieses blinden Griffs wohl wahrgenommen. Als nun das[671] Schauspiel zu Ende kam / und die Officianten auff des Käysers Befehl warteten / zugleich auff das Pocal ein Auge hatten / und vermeyneten / der Käyser würde ihnen von den Ducaten auch etwas mittheilen. Siehe /da rieff er endlich den zu sich / der zuvor unwissend der andern / wie er meynt / hinein gegriffen / und ein ziemlich Partickel schon allbereit in Sack gestecket hatte / und hieß ihn so viel nehmen / als er mit seiner Hand fassen könte. Dieser wuste wol / wahin es mit solcher Freygebigkeit des Käysers gemeynt wäre / und weil ihn das Gewissen drückete / nahm er mit zitterenden Händen gar wenig heraus. Der Käyser befahl /er solte sie zehlen / indem die andern warteten / was daraus werden würde / fieng der Käyser an zu lächeln / und sprach: Nimm nun auch die andern / die du zuvor daraus gestolen / damit ich erfahren möge / ob du ietzt oder zuvor im Nehmen bist behertzter gewesen. Darüber ward er schamroth / fieng an sich zu entschuldigen / aber es halff nicht / er muste in aller Gegenwart die gestohlene auch zehlen. Darauff sprach der Käyser: Nimm nun beyde Summen hin zum Zehrpfennig / hüte dich aber / daß du mir nicht mehr unter die Augen kömmest.


1. Es ist nichts so klein gesponnen / es kömmt an die Sonnen.

2. O thörichte Menschen! Die da meynen / GOtt sehe unser Thun nicht.

3. Am jüngsten Tage werden solche Sünder vor GOtt /allen H. Engeln und Menschen beschämet stehen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 671-672.
Lizenz:
Kategorien: