31. Mancherley Meynungen vom Ursprung der Thränen.

[686] Man hat über der Thränen Ursprung und Beschaffenheit / so wol bey den Kirchenlehrern / als auch den Weltweisen / unterschiedene Muthmassungen. Plinius Natur. Hist. lib. 11. cap. 37. verwundert sich darüber / woher man so bald so viel Feuchtigkeit im Weinen zu wege bringe / und wo dieselbe behalten werde zu der Zeit / wann man nicht weinet. Augustinus der Kirchenlehrer lib. 1. de Mirab. S. Script. c. 11. folget etlichen Aertzten und saget / daß sie von Bewegung der Gallen herrühren / und solches am Geschmack erweise / daß im menschlichen Leibe die Natur des Saltzes verborgen liege. Gr. Nyssenus lib. de opif. Hom. cap. 12. will / daß aus Bewegung der innerlichen Glieder die Dünste ins Gehirn hinauff steigen / da dieselben in den holen Oertern des Haupts verhalten / und durch die Kälte daselbst zu Wasser gemacht werden / welches durch des Gehirns Krafft zu den Augen geführet werde / daraus es also fliesse und thräne. Die Heidnischen Philosophi haben[686] hievon ihre Meynung, Plato in Timæo hat gemeynet / die Thränen seyen wie eine Feuchtigkeit / welche von dem zähen Schleim / so zusammen gedrücket wird / abgesondert werde. Seneca Ep. 100. ad Lucilium meynet / daß durch den Schmertzen der gantze Leib und also auch die Augen bewegt werden / von welchen die nahe gelegne Feuchtigkeit also heraus gepresset werde. Die neuen Scribenten haben ihre Meynung hievon. Hieronymus Mercurialis, welcher anderer Meynung verwirfft /giebt für / die Thränen seyen nichts anders / als ein Theil der Feuchtigkeit des Geträncks / welches im Gehirn in den Adern der Augen und sonderlich in den Aederlein der Augen-Winckel behalten werde / und entweder durch Zusammendrückung oder Ausbreitung derselbigen Adern heraus gebracht werde.


1. Wir verstehen kaum das auff Erden ist. Sap. IX. 16.

2. GOttes des Schöpffers Weißheit / die er an den Menschen erwiesen / ist nicht zu ergründen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 686-687.
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