36. Von einem Könige / der allezeit die [691] Quatuor Novissima erwogen.

Damascenus ein alter Kirchen-Lehrer schreibet / daß auff eine Zeit ein frommer König gewest / welcher die Novissima stets behertziget / und daher allezeit betrübt gewesen. Dieses Königes Bruder aber / ein rechter Epicurer / hat ihm einsmahls zugeredet / daß er solte das Trauren bey Seite thun / und gleich andern sich in der Welt frölich machen. Da habe der König gesagt / daß er den folgenden Tag seine Erklärung erwarten solte. Hat darauff so bald eine grosse Grube[691] machen / die Helffte derselben mit glüenden Kohlen anfüllen / über die Grube einen altkrachenden Stuel setzen / über dem ein scharffes zweyschneidiges Schwerd an einem subtilen Faden auffhängen / und zur Gruben einen Tisch setzen lassen. Als nun solches also geordnet gewesen / hat der König seinen Epicurischen Bruder zu Gaste gebeten / und ihn ermahnet /daß er sich auff den Stuel zu Tische setzen wolte / da es geschehen / wurden alsobald die herrlichsten Speisen auffgetragen / auch eine liebliche Music angeführet. Zu dem vier Seiten stunden vier gewapnete Trabanten mit entblästen Degen / so sie gerade auff ihn hielten. Der König trat zu ihm hin / und sprach: Iß und trinck / mein Bruder / sey frölich und guter Ding. Aber er antwortete ihm gar kläglich: Ach hertzlieber Bruder / wie soll ich doch frölich seyn? Sehe ich unter mich / so sehe ich feurige Kohlen: Uber mir hengt ein blosses Schwerd; Soll ich mich zum Tisch bücken /so wird der Stuel bald brechen / zudem umgeben mich allenthalben geharnischte Männer. Wie ist es denn möglich / daß ich mich frölich machen kan? Darauff hat der König gesagt: Wolan / mein Bruder! Wie dir ietzt ist / so ist mir allezeit. Wende ich meine Augen gen Himmel / so sehe ich den gerechten Richter. Sehe ich unter mich / so sehe ich die erschreckliche Höllen-Gluth. Sehe ich hinter mich / so finde ich meine Ubertretung. Sehe ich für mich / so befinde ich / daß ich sterben muß. Sehe ich auff die Seiten / So mercke ich / daß der Teuffel nach den Seelen trachtet. Damit hat er diesen Epicurischen Bruder bewegt / daß er sein ruchloses Leben eingestellet / und gottselig zu leben angefangen.


[692] 1. Der fromme König hat wenig / der ruchlose viel Nachfolger.

2. Bedencke das Ende / so wirstu nimmermehr übels thun.

3. Die Welt ist voller Gefährlichkeit.

4. Wer gesündiget hat / thue Busse.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 691-693.
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