49. Leo wird durch einen Papagey der Gefängniß erlediget.

[707] Basilius Macedo, Käyser zu Constantinopel / hatte einen Sohn / Leo genannt / welchen der Vater in der Jugend zum Käyser designiret hatte. Nun war ein Mönch zu Hofe / Nahmens Theodorus, ein Schwartzkünstler / der forchte sich / der Leo möchte ihn beym Vater in Ungnaden bringen / darum beredet er den alten Käyser Basilium, sein Sohn stehe ihm nach dem Leben / und damit er dessen gewiß sey / werde er einen kurtzen Dolch bey ihm finden / damit er ihn gedräuet ums Leben zu bringen / wann er auff die Jagt ziehen werde. Der Käyser glaubts. Der Mönch gehet darauff zu seinem Sohn / und beredet ihn / wann er auff die Jagt ziehen wolte / solte er einen kurtzen Stöcher mit sich nehmen / damit er dessen zum Gewild gebrauchen möchte. Er folget und thuts / weiß von nichts böses. Als er auf die Jagt kommt und der Vater den Degen unter den Rock findet / wie der Mönch ihm gesaget / da vermeynet er anders nicht / er stehe ihm nach dem Leben / läst den Sohn gefangen legen /wolt ihm die Augen ausstechen lassen / wann es ihm seine[707] Räthe nicht mißrathen / doch endlich verurtheilet er ihn zur ewigen Gefängniß. Was geschicht? Der Käyser hatte die Gewohnheit / daß er bißweilen bey den Rathsherren / Patriciis oder Geschlechtern zu Constantinopel zu Gaste zu gehen pflegte / kommt demnach etwa zu einem zu Gaste / welcher einen Papageyen hatte / der offtmals gehöret / wie sein Sohn Leo sich so übel im Gefängniß gehabe. Darum er Mittleiden mit ihm getragen / und immer zu schreyen pflegen: Leo! Leo! Leo! Ach Leo! Leo! Leo! welches den Gästen so nahe zu Hertzen gieng / daß sie alle von der Taffel auffgestanden / und als der Käyser fragte / was ihnen sey? Sie aber geantwortet: Der unverständige Vogel sey viel verständiger dann sie /trage Mitleiden mit seinem gefangenen Sohn / ihrem Herrn / und erinnere sie dessen / und sie solten frölich seyn / und sein vergessen? Dadurch der Käyser bewogen / daß er ihn wieder aus dem Gefängniß erlediget /und zum Käyserlichen Scepter erhaben.


1. Grosse und Gewaltige haben offt listige Nachsteller /Verräther und Verleumder.

2. GOtt demüthiget und betrübet: Aber er erhöhet und erfreuet auch wieder.

3. Im Unglück habe einen Löwen-Muth.

4. Trau GOtt / es kan noch werden gut.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 707-708.
Lizenz:
Kategorien: