70. Von einem Vater / der eine natürliche Widerwärtigkeit für sein eigen Kind gehabt.

[728] [728] Libavius erzehlet ein Exempel / daß ein Vater gewesen / wie ihm auff eine Zeit ein Sohn gebohren / sich seine gantze Natur für dem Kinde entsetzet / und so sehr / daß er in den Losament / darinn das Kind gewesen / nicht bleiben können / sondern stracks in eine Ohnmacht gefallen. Die Freunde liessen das Kind anderwerts aufferziehen: Das es nun ein wenig stärcker worden / beredeten sie den Vater / daß er sich doch unterwinden solte / das liebe Kindlein auff die Arme zu nehmen / darzu er nicht ungeneigt: Aber so bald er das Kind zu sich genommen / ist ihm der Angstschweiß ausgebrochen / und die Ohnmacht erfolget. Endlich versuchens die Freunde noch einmahl / und da der Vater bey einem ansehnlichen Panquet zu Tische saß / auch etliche junge Knaben für dem Tisch auffwarteten / stellten sie es an / daß ohne Vorwissen des Vaters auch sein Sohn solte in das Losament unter die andern Knaben gestellet werden. Aber so bald er in die Stuben kam / da fieng dem Vater an Angst zu werden / und schwitzte dermassen über seinem gantzen Leibe / daß kein Zweiffel / wann man den Sohn nicht hätte hinaus geschaffet / der Vater also für Ohnmacht gestorben wäre.


1. Das war eine wunderbare Wiederspänstigkeit / die ein Vater getragen für seinem Kinde.

2. Es stecket viel in der Natur verborgen.

3. Wir haben an GOTT nicht einen solchen widersinnigen Vater sondern er hat uns lieb: Es sey denn / das wir ihm zuwider leben / dann hat er einen Greuel an uns /und wirfft uns zu dem Himmel-Hauß hinaus.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 728-729.
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