8. Legenda vom Verräther Judas / wer er gewesen.

[659] Indem bißher etwas gedacht von Verrätherey / will ich gleichfalls hinbey setzen eine Legenda / wer der Ertzverräther Judas sey gewesen.

Jacobus de Voragine in den Lombardischen Historien / und Pelbartus in seiner Postill / so er Pomerium nennet / geben vom Juda für / daß seine Mutter habe Cyborea geheissen / die habe einen Traum gehabt / sie würde einen Sohn gebähren / welcher eine Ursach würde seyn des gantzen Jüdischen Volckes Unterganges. Das habe sie ihrem Mann Simoni vermeldet. Wie nun der Sohn gebohren worden / haben sie ihn nicht umbringen wollen / sondern in einem Korbe ins Meer geleget / welches ihn in die Insul Scharioth zu Lande getrieben / dannenhero er auch den Zunahmen bekommen. Denselben hat die Königin desselbigen Landes lassen heraus heben / und weil sie nicht Kinder gehabt / sich gestellet / als wäre sie schwanger / und habe endlich das Kind herfürgebracht / als hätte sie es gebohren.

Bald darnach habe GOtt der Königin einen rechten Erben bescheret. Als sie nun beyde mit einander auffgewachsen / da habe der Fündling dem rechten Sohn alle Schande angeleget / darum es die Königin eröffnet / daß er ein Fündling wäre. Darüber soll Judas den Erben heimlich erwürget haben / und davon gelauffen seyn. Er sey aber gen Jerusalem gekommen /und habe sich an Pilati Hoff begeben / der habe auff eine Zeit in einem Garten schön Obst gesehen / derselbe Garten sey des Judä Vaters gewesen / welches aber weder er noch Pilatus gewust. Da soll Judas hinein gestiegen seyn / und wie der Vater darzu kommen / soll er sich über ihn gemacht / und ihn[660] mit einem Stein zu tode geschlagen haben / sey davon gesprungen / daß es niemand innen geworden / er aber habe Pilato die Aepffel gebracht / mit Vermeldung / wie es ihm gegangen sey. Pilatus habe ihm den Garten alsobald eigenthümlich einreimen lassen / habe ihm darzu die Cyboream zum Weibe gegeben / daß er also seine eigene Mutter unwissend zum Weibe genommen. Auff eine Zeit habe die Mutter hefftig geseufftzet. Als sie nun Judas gefraget / was ihr sey / habe sie gesaget: Sie sey ein unselig Weib / weil sie einen Sohn gebohren / durch welchen das gantze Jüdische Volck ins Verderben kommen solte / welchen sie ins Meer in ein Kästlein gesetzet. So habe sie auch ihren Mann todt gefunden / und habe nun / durch Pilatum gezwungen /ihn nehmen müssen. Da soll Judas vernommen haben / daß er derselbige Fündling gewesen / hätte seinen Vater erschlagen / und die Mutter zum Weibe genommen. Darum habe er sich zu Christo gefunden / und von ihm Vergebung seiner Sünden begehret:

Aber wie die andern Legenden meistentheils grobe Lügen seyn: Also ists auch mit dieser. Ist zum Theil genommen aus Mosis Historia / zum theil aber aus der Historien des Oedipi, welchen sein Vater Lajus hat hinweg legen lassen / weil das Oraculum vermeldet / er solt ihn mit der Zeit umbringen / so aber endlich wiederkommen / habe den Vater erwürget / und die Mutter Jocastam zum Weibe genommen / biß er endlich mit ihnen ein schröcklich Ende genommen. Die Evangelische Historia sagt davon nichts / sondern meldet diß von ihm / daß er von Christo sey zum Apostel-Amt beruffen worden. Ist aber ein Mameluck worden.


[661] 1. Es ist nicht so bald anzunehmen / was die Leute schreiben.

2. Wer Böses thut / bekommet einen bösen Nahmen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 659-662.
Lizenz:
Kategorien: