96. [756] Joh. Valentini Andreæ Apologus vom Heiligen Abendmahl.

Es kam auf eine Zeit von ungefehr ein heydnischer Mann in die Versammlung der Christen / und zwar eben zu der Zeit / wie sie sich gebrauchten des Heiligen Abendmahls / er hat mit hoher Verwunde angesehen ihre grosse Andacht / und deßwegen befraget den nahe bey ihm stehenden Christen; Was doch da vor ein Werck vorgienge / deßwegen die Leute mit solcher Furcht und Ehrerbietung hinzu giengen? Darauf der Christ ihm geantwortet: O du Welt Mensch! Da gehet vor ein gar hochheiliges Werck. Denn GOtt kehret ein bey allen / die du da siehest / und nimmt ein die in Andacht gesäuberte und ausgeleerte Seelen. Der Heyndnische und Ungläubige sprach weiter und fraget: Wovon seyn die ledig? Der Christ antwortet: Ledig und gesäubert von Hoffarth / Geitz / Zorn /Fressen / Sauffen / Zwietracht / Haß / Neid / Mißgunst / Faul- und Trägheit / damit sie zuvor beladen waren. Aber durch ernste Reu und Leid zur hertzlichen Busse getrieben / haben sie sich der Göttlichen Fürsehung und Regierung untergeben.

Der heydnische Mann schwieg darzu still / er gab gute Acht / welche unter dem Hauffen GOTT auf- und annahmen im Heiligen Abendmahl / ist ihnen den gantzen[756] und folgenden Tag nachgefolget / so viel er konte / und hat acht auf sie und auf ihr Thun gegeben. Es daurete nicht lange / siehe da hat es sich befunden / daß sie vor wie nach sich wieder gekehret zum Fressen / zum Rauben / zum Zancken / zum Sauffen / zur Faulheit / zu allerhand listigen Nachstellungen / zum Geitzen / zum Wuchern / zum Verläumden / etc. Der heidnische Mann wolte seinen Augen nicht erst trauen / ruhete derowegen nicht ehe / diß er erfuhr / daß sich die Sache in Wahrheit also verhielte. Darauf ist er auf den Marckt gegangen und öffentlich ausgeruffen: Ich habe erfahren / daß keine Völcker unter der Sonnen weniger Gastfrey / als die Christen / als bey welchen auch ihr GOtt nicht kan zwey Tage Herberge behalten.


1. Unbeständigkeit im Gottesdienst ist ein gemeines Ubel.

2. Die meisten gehen nur nach Gewohnheit ohne Besserung ihres Lebens zum H. Abendmahl.

3. Die Heuchel-Christen ärgern Türcken / Juden und Heyden mit ihrem gottlosen Leben.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 756-757.
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