98. Bildniß des Todes.

[758] Wann unsere liebe gottselige Alten den Tod und seine Beschaffenheit beschreiben wolten / haben sie es durch ein sonderbares Conterfait gethan / und ihn folgender massen abgemahlet. Es war ein langes Bild von lauter dürren Beinen aneinander hangend zusammen gefüget / ohne Augen / ohne Ohren / ohne Nase /nackend/ fleischloß / heßlich und ungestalt / weder Mann noch Weib. In der einen Hand hatte er eine Sense / in der andern eine Sand-Uhr. Damit haben sie uns die Wirckung und die Beschaffenheit des Todes fürgestellet. Denn 1. das Bild hat keine Augen / bedeutet / der Tod sey blind / sehe keine Person an /blende auch und mache die Augen brechend. 2. Hat keine Ohren / es helffe kein Suppliciren oder Bitten /sondern es bleibet dabey: Mensch du must sterben. 3. Ist es ohne Nase / damit wird angezeiget / es hinderten ihn nichts die Biesem-Aepffel und der gute Geruch. 4. Ist es nackend / hat kein Kleid: Anzudeuten /daß man nackend davon muß / und man nichts im Sterben werde mitnehmen. 5. Ist es ohne[758] Fleisch: Bedeutet der Tod / achte der grossen / schönen und starcken Leute nicht. 6. Ist er weder Mann noch Weib / es ist ihm gleich / er nimmt sie beyde dahin. 7. Traget das Bild in der einen Hand eine Sense / damit man Graß abmehet / denn alles Fleisch ist wie Graß. In der andern Hand aber eine Sand-Uhr: Denn der Mensch hat seine bestimmte Zeit.


1. Gedencke Mensch / daß du sterben must.

2. Man kan den Tod nicht scheußlich genug abmahlen.

3. Das Verweßliche wird gleichwol wieder anziehen das Unverweßliche / und das Sterbliche das Unsterbliche.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 758-759.
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