10. [770] Dionysius hat seine Ohren an den Füssen.

[770] Es kamen einsmahls einige Philosophi zusammen vom wichtigen Dingen zu handeln. Unter andern ward gedacht der grossen Unfreundlichkeit des Dionysii des Königs in Sicilien / von dem niemand das geringste erlangen konte. Da stund einer unter ihnen auf /fieng an eine Wette aufzuschlagen / er wolte das / was er von ihm bitten würde / auch gewiß von ihm erhalten. Die Wette wird vollzogen / dieser macht sich zum König / bringt sein Anliegen an / kan aber nichts erhalten. Er hält mit Bitten an / es wil aber nichts helffen / sondern wird mit harten Worten abgewiesen. Der Philosophus wil demnach nicht ablassen / sondern fällt dem Könige zu Fusse / bittet gantz demüthig und beweglich / diß er das steinerne Hertz des Dionysii erweichet und beweget / auch was er bat / erlangete. Darauf kam dieser wieder zurück und begehrete / man solte ihm geben / was er durch die Wette gewonnen hätte. Die andern aber wolten nicht / sondern sprachen: Er hätte sich dem Tyrannen zu sehr unterworffen / wäre ihm zu den Füssen gefallen / und hätte ihm wider die Art der Weltweisen zu sehr geliebkoset. Er aber antwortet: Daß er solches gethan /damit zu lehren / daß Könige / Fürsten und Herren die Ohren an den Füssen und nicht an dem Haupte hätten.


Wer etwas von grossen Herren haben will / der muß ihnen zu Fusse fallen / und für ihnen sich demüthigen. GOtt hat leise Ohren / der erhöret der Demüthigen Gebet und verachtet der Armen Schreyen nicht.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 770-771.
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