12. Von dem Egyptischen König [772] Osiride.

Es ist alles / was man bey den Historien-Schreibern /sowol nach dem Nahmen / als auch nach den Thaten und Tode des Osiridis, und seiner Nachfolger findet /sehr verworren und zweiffelhafftig;[772] doch wil ich davon / so viel nützlich und der Jugend ergetzlich /aus dem Micrælio entlehnen / und hieher verdeutschen. Man findet beym Diodoro und andern / daß der Osiris, (nicht der gewesene Argiver König / der Sohn Phoronæi, sondern in Egypten /) sonsten Bacchus und Dionysius, auch mit andern mehr Rahmen genennet / wie er / sterbende nach grossem Ruhm und Ehre / mit einem grossen Heer ihm vorgenommen hatte / die gantze Welt durchzuziehen / nicht um Krieges willen / sondern willen / sondern die Leute in allen Wissenschafften zu unterrichten. Da habe er so lang seines Reichs Verwaltung seinem Weibe der Isidi / übergeben / und ihr zum geheimen Rath den Mercurium hinterlassen. Die Aufsicht der am Meer gelegenen Oerter hat er aufgetragen dem Bosiri, Æthiopien aber und Lydien hat er dem Antæo anvertrauet. Des Osiris Reise-Gefehrten seyn gewesen /sein Bruder Apollo, nebenst neun im Singen und Spielen wolgeübten Jungfrauen / die genannt die Musen / und gehabt den Apollinem zum Führer / der daher Musagetes genennet ist. Noch hat er bey sich gehabt die beyden tapffere Männer / den Anubin und Macedonem, welche mit Thiere- jener mit Hunds-dieser mit Wolffs-Fellen bekleidet waren. Ihm sey auch gefolget der Pan, Mero, Triptolemus, und andere mehr / im Weinpflanzen und Ackerbau wohlerfahrne Leute / dann / wie gedacht / der Osiris nicht um Krieg zu führen / sondern den Leuten gutes zu thun /ausgezogen war. Erstlich sey er in diesem seinem Zug gekommen in Mohrenland / von da nach Arabien /und Indien / woselbst er die Stadt Nisam erbauet habe. Von dannen ist er durch den Hellespont in Europam gekommen in Thracien hat[773] er den König Lycurgum, der sich ihm wiedersetzte / erschlagen / und den Meronem über das Land gesetzt / dem Macedoni hat er Macedonien anbefohlen / dem Triptolemo aber in Attica den Ackerbau. Er hat auch den Leuten gelehret den Wein-Gebrauch / und wie aus Gerste Bier zu brauen sey. Endlich sey er auch in Hispanien gekommen / und weil der Tyrann Geryon mit einer grossen Macht sich ihm wiedersetzte / hat er denselbigen in die Flucht getrieben / und den Tyrannen in der Schlacht getödtet; dessen hinterlassene drey Söhne aber hat er lassen in allen freyen Künsten unterrichten / ihnen die Verwaltung des väterlichen Reichs aufgetragen / und ist wieder in Egypten mit grossen Geschencken bereichert / gezogen. Aber diese Geryones gedachten mehr des Vaters Tod zu rächen / als die erwiesene Gutthaten mit Danck zu erstatten / beredeten des Osiris Bruder den Typhonem mit Geschencken dahin / daß er Osiridem umbrächte und selbst das Egyptische Reich einnehme. Diesen Mord hat er nebenst sechs und zwantzig Verschwornen vollenbracht / derer jeder eins / von dem in so viel Stück zerschnittenen Leibe / nahme / die Scham aber / die niemand begehrete / haben sie ins Wasser weggeworffen. Aber die Königin Isis / hat den Tod ihres Mannes / mit Hülffe ihres Sohns Ori oder Herculis, (welchen der Vater über die Seythen gesetzet hatte) gerochen / und den Typhonem mit seinen Gesellen erschlagen. Sie hat auch geordnet / daß man den Osiridem göttlich verehren solte / ihm zwey Stier geheiliget / die von den Egyptiern Apis und Mnevis genannt seyn. Den Priestern hat sie den dritten Theil des Landes zum Unterhalt vermacht / auch es so weit gebracht / daß des Isidis[774] heimliches Glied in dem Tempel aufgehenckt und hernach göttlich verehret worden ist.


Grosse Herren erhalten einen unsterblichen Nahmen /wenn sie sich der Künste und Wissenschaft befleißigen.

Die Welt giebt Stanck für Danck.

Die Heyden seyn mit ihrem eitelen Dienst zu Narren worden.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 772-775.
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