15. [776] Diogenes beweiset dem Alexandro Magno, daß er ein Knecht und nicht ein Herr sey.

Der heilige Kirchen-Lehrer Augustinus führet schrifftmäßige Worte an im 2. Buch von der Stadt GOttes Cap. 3. wenn er spricht: Der Fromme oder Gottesfürchtige / ob er gleich dienet / ist er dennoch frey /aber der Böse und Gottlose / ob er gleich herrschet /ist er doch ein Knecht / nicht eines eintzigen Menschens / sondern / welches das allerärgeste ist / so vieler Herren / so vielen Lastern ergeben. Damit[776] stimmet ein der alte Kirchen-Lehrer Hieronymus, der übern 10. Psalm nach dem Gezeugniß Hugonis sagt: Ein jeder Sünder träget um und bey sich Stricke / Ketten und Bande. Ein Sünder ist gleich denen / die um ihrer Ubelthat willen auf die Galeen geschmiedet / und an das Ruder verurtheilet seyn / die seyn so wol des Tages als des Nachts mit schweren eisernen Ketten umgeben: Warlich in einem solchen Zustand lebet ein Sünder / derselbige / er gehe / stehe / sitze / liege /esse / trincke / schlaffe / wache / so ist er allezeit mit den Ketten und Banden der Sünden umschlossen. Dieß haben auch die Heyden / insonderheit dero Weltweisen erkannt und bekannt / ob ihnen gleich das Licht des Göttlichen Worts nicht geschienen. Bey dem Laërtio lieset man / daß der berühmte Philosophus Diogenes dem mächtigen Könige in Macedonien / dem Alexandro Magno seine grosse Regiersucht unerschrocken vorgehalten / und dieselbige an ihm getadelt / mit folgenden Worten: Du bist bey weiten nicht ein Herr / sondern ein Knecht meiner Knechte: Dann die Laster seyn deine Herren / und meine Knechte / welche über dich herrschen. Es bezeuget gleichfals lib. 9. de Republ. der kluge Plato, das solches diesem Welt-Stürmer sey von seinem Eydgenossen vorgeworffen. Seine Worte davon lauten also: Was Nutzen bringt es dir / ein Herr seyn der gantzen Welt / da du doch eines so verwerfflichen Dinges / als da ist die Sünde / Knecht und Sclave bist.


Ein Sünder ist die unglückseligste Creatur auf Erden. Plato sagt recht am vorangezogenen Ort: Quoties peccas, toties te velut catenâ revinctum nequissimo & spurcissimo Domino pro mancipio eradis.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 776-777.
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