36. Der Neidhart wird mit dem Tiegerthier verglichen.

[799] Die Natur-erfahrne Scribenten / Plinius, Pierius, Herodotus, Cl. Alexandrinus, und andere haben unter vielen andern wunderbahren Eigenschafften des Tiegerthiers / auch diese angemercket. Wann es von ungefehr soll hören ein lieblich sängendes musicalisches Instrument / so soll es sich gantz grimmig /wütrig und schrecklich stellen und gebärden; Wann er aber nebenst der lieblichen Music soll hören eine Stimme eines Menschen / der mit aller Freundlichkeit zu sich rieffe andere Menschen oder Thiere / so soll es sich selbst mit seinen grimmigen Klauen zerreissen und zerstücken. Diese thierische und bestialische Gewohnheit und Eigenschaft hat gleich erheblich angenommen der Mißgünstige. Denn derselbige / wann er siehet und höret / daß ein ander von wegen seiner Geschicklichkeit / und seinen herrlichen Tugenden /damit er begabet ist / von diesem und jenem gerühmet wird / so entbrennet er gleich vor Zorn und Unwillen /und fehlet nicht weit / er nehme ihm vor Unmuth selbst das Leben. Diß kan nicht uneben mit dem Exempel des Königs Saul beleuchtet werden / 1. Sam. 18. vers. 6. 7. 8. 9. der aus gifftigem Neid nicht konte ohne Erbitterung anhören / daß man David ihm vorzog. Ein gelehrter Doctor redet mit erstarrendem Gemüth auf Rhetorische Art den Saul deßwegen also an: Was ergrimmest du Saul / und warum mißfällt dir das Lob dessen / der[799] das Vaterland erhalten hat? Freue dich / O du guter Mann / über das Musiciren der Weiber; Hörest du nicht / wie lieblich sie die Seiten schlagen / wie anmuthig sie singen / wie zierlich sie die Füsse setzen / und bewegen. Diß soll ja die Gemüther zur Freude antreiben / nicht aber eine Grausamkeit bey einigen erwecken / und du zürnest deßwegen. Schliesset darauf / und saget: Mit einem Tiegerthier hab ich zu reden / nicht mit einem Menschen und der durch Neid gleich verwandelt in ein Tiergerthier / der hält auch dessen Art und Natur / wann er den lieblichen Klang und Gesang der Weiber gehöret.


Salomo sagt recht: Neid ist ein Eiter (oder nach dem Hebräischen ein Tod) in den Beinen. Der Neid verwandelt vernünfftige Menschen in unvernünfftige Thiere.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 799-800.
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