43. Ein Herr darff seinen flüchtigen Knecht nicht verfolgen im Grabe.

[806] Man lieset in Theat. Vitæ Hum. Tom. 2. lib. 3. von einem Bürger und Herrn aus der Stadt Sybaris / daß derselbige mit seinem Knecht auf dem Felde gewesen / da es der Knecht gar grob versehen / so / daß der Herr deßwegen im Zorn ergrimmet / denselbigen mit seinem an der Seiten gehenckten Degen hat erstechen wollen. Der Knecht hat sich auf die Flucht begeben /und der Stadt zugelauffen / in Meynung / er würde allda sicher seyn: Aber der Herr von Grimm und Zorn eingenommen / folget ihm unverzögerlich hinten nach: Der Knecht laufft aus Furcht und Bangigkeit in der Götter Tempel hinein / in guter Hoffnung / sein Herr werde den heiligen Ort scheuen / und nichts Gewaltsames an ihm vollenbringen: Aber sein Herr folget ihm auch Zorns voll dahin nach. Der arme und unglückselige Knecht wuste ferner keine Auswege / er stund in tausend Aengsten / und wuste nicht / wohin er weiter fliehen solte. Er bedachte sich letzlich kurtz / und sprang ins Grab / da seines zornigen Herrn Vaters Knochen begraben waren. Dadurch sey dieser HErr dermassen bewogen / daß er erstarret / still gehalten / sich seiner und seines Vaters[806] Sterblichkeit so bald erinnert / den Zorn fallen lassen / dem Knecht alles vergeben / und so nach Hause gangen.


O Mensch! Bedencke das Ende / so wirst du nimmermehr Ubels thun.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 806-807.
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