44. Ein Höfling wünschet einen grossen Nagel /daß er das Glücks-Rad möge feste machen.

[807] Der kluge Heyde Seneca erzehlet von einem Könige /daß er einen seiner Höflinge zu hohen Ehren habe erhoben / und ihn zu einem vornehmen Regenten seines Reichs gemacht. Nach wenig Tagen hat es sich zugetragen / daß der König ihn gefraget: Ob er nun nicht an einer so grossen Ehre sein Vergnügen hätte? Ob er sich nicht jetzo glückseelig schätzte? Darauf hat der Höfling dem Könige geantwortet: Er halte sich noch nicht allerdings glückseelig / er wolte und könte es werden / wenn nur eins nicht im Wege lege / und ihm nicht noch eins mangelte. Wie nun der König inständig begehrete / ihm zu sagen / welches das eine wäre /das ihm die volle Glückseeligkeit verhinderte? Hat er gar höflich und klüglich geantwortet: Es lege im Wege das wanckelbare und unbeständige Rad des Glückes / und es fehle ihm nicht mehr denn ein eintziger grosser und starcker Nagel. Der König hat hierauf weiter gefraget / was er mit dem grossen Nagel wolte anfangen? Liegt denn des Glücks Vollkommenheit an einem Nagel? Freylich habe der Höfling gesaget: Denn wann ich den hätte / so wolte ich das unbeständige Glücks-Rad feste machen / daß es nicht könte umlauffen.


[807] Traue nicht zu viel dem Glück / gedencke es kan sich ändern / das Glück ist gläsern / wenn es am meisten gläntzet / so zerbricht es. S. Ambrosius lib. de Abraham. sagt schön: Bona hujus seculi instabilia sunt, & rotarum more cum ipso seculo volvuntur.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 807-808.
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