45. Des heiligen [808] Arsenii wunderbares Gesicht.

Bey dem Hieronymo ist zu finden / was ich in dieser Historie erzehlen will.

Der heilige Abt Arsenius, wie er in seiner Cellen sich enthielte / hat auf eine Zeit diese Stimme vom Himmel gehöret. Gehe heraus / ich will dir zeigen die Wercke der Menschen. Arsenius, da er diese Stimme gehöret / ist er aus seiner Cellen heraus gegangen; Er wird gewahr eines schwartzen Manns / der in dem Walde Holtz hauet und zusammen sammlet. Der /nachdem er das gehauene und gesammlete in einen grossen Hauffen hatte zusammen gebunden / hat ers versuchet von der Erde zu heben / auf den Rücken zu nehmen / und es davon zu tragen. Aber ob er gleich starck von Leibe / hat ers doch nicht können von der Erden heben / vielweniger auf den Rücken nehmen und davon tragen. Darum hat ers lassen liegen / ist hingelauffen / hat noch mehr Holtz loßgehauen / solches genommen / und dem andern beygethan / versuchende; ob ers nun könte heben. Aber alles umsonst: Denn der das Leichtere nicht konte heben / wie solte dem möglich fallen / das Schwere zu tragen? Doch ist er zum drittenmal hingelauffen / hat noch ein mehrers geholet / bey das vorige gethan / und versuchet / ob es jetzt werde möglich fallen / das Bund-Holtz aufzunehmen! aber / war es zuvor nicht möglich / so war es nun noch viel weniger. Der heilige Mann stund und[808] sahe dem Dinge mit grosser Verwunderung zu / er kunte es gantz nicht ersinnen / was hierdurch solte bedeutet werden / biß eine Stimme vom Himmel ihm diß dunckele Bild erkläret hat / mit diesen Worten: Der da Holtz hauet und es in Bündlein bindet / bedeutet den Sünder / welcher mit Sünden und Ubertretung beladen / offt dieselbige Last kaum ertragen kan / und gleichwol so gar bethöret ist / daß er immer neue Sünden hinzu thut / gleichsam bey sich selbst sagende: Nachdem ich viele Sünden werde zusammen getragen haben / und die zu den andern gethan / dann will ich dieselbe heben und Busse thun.


Es sey geschehen / oder von den frommen Alten erdichtet / so giebt es eine gute Lehr / wie thörlich die Menschen thun / die Sünde mit Sünden häuffen / die häuffen ihnen die Straffe auf den Tag des Zorns.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 808-809.
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