54. [819] Legenda von der H. Catharina.

Weil in der vorigen etwas gedacht ist von der Heil. Catharina / will ich die gantze Legenda hieher setzen / wie sie von den Scribenten in der Römischen Kirchen beschrieben ist. Es fället dero Gedächtniß-Tag ein den 25. Tag des Monats November / und schreibet man / daß sie von Alexandria aus Königlichem Geschlecht bürtig gewesen / von Jugend auf in dem Heydenthum / in der Philosophia und Weltweißheit /auch andern freyen Künsten sich geübet[819] und darinn mit grosser Verwunderung zugenommen habe: sey aber endlich zur Christlichen Lehre und Glauben bekehret / auch bald darauf von Maxentio, den sie wegen seiner Tyranney und Verfolgung wider die Christen hart gestraffet / ins Gefängniß geworffen /darinn 7. Tage mit Hunger gequälet / nachmals 50. berühmten Männern und Philosophis fürgestellet worden / die mit ihr aufs schärffste disputiret / daß sie sie wieder zur Heydnischen Abgötterey bringen möchten: Haben aber nichts bey ihr ausrichten können / sintemahl sie ihnen allerseits dermassen begegnet / daß sie zuletzt überwunden / und zur wahren seligmachenden Religion bekehret. Worüber der Tyrann Maxentius also ergrimmet / daß er die 50. Philosophos alle tödten lassen. Die gefangene Catharina /weil sie standhafft in der Erkäntniß Christi verharrete / habe er auf Räder / mit viel spitzigen Eisen zugerichtet / legen lassen / daß sie von denselbigen solte in Stücken zerschlagen werden / welche eiserne Räder aber / durch ein Göttliches Wunderwerck zersprungen / und eine grosse Menge der umstehenden Ungläubigen erschlagen. Letzt sey sie dem Schwerdt hingerichtet / und habe also die Marter-Krone erlanget.

Diß wird also als warhafftig geschrieben / aber man findet davon nichts bey den alten Geschichtschreibern. Ist hiemit allerdings bewandt / wie mit dem erdichteten grossen Christophoro, der hin und wieder in den Kirchen gemahlet stehet / wie mit dem Ritter Georgio, der einen grossen Drachen soll erwürget haben / mit Hyppolito, der unter dem Käyser Decio durch Dorn und Disteln geschleifft und zerrissen seyn soll. Mit Longino, der nach Eröffnung der Seiten Christi / mit seinem[820] / des HErrn / Blut soll besprenget / und durch dessen Krafft zum Christlichen Glauben gebracht seyn.


Hieraus ist zu schliessen / was man soll halten von dem Gebet: O du heilige Jungfrau Catharina / sey unsere Vorsprecherin bey GOtt / in unserm Kampff und Streit. Ja daß zu Rom noch soll verwahret seyn die Milch / so an statt des Bluts von St. Catharinen soll geflossen seyn.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 819-821.
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