59. Vom Wort Spinnen / und wem diese Arbeit am besten anstehe.

[823] Das Wort Spinnen hat seinen Ursprung von einer Spinne / das ist ein Thierlein / das findet sich in allen Häusern / dessen gantz wunderliche Natur der Plinius Lib. 11. Nat. Histor. cap. 24. weitläufftig beschrieben hat / sagend / es sey ein schönes Model oder Muster einer Haußhaltung: Zwischen dem Männlein und Weiblein sey ein sonderbarer Vergleich / was ein jeder machen soll. Das Weiblein spinne und webe sein Werck mit solchem Fleiß / daß alle Weber sich nicht schämen dürffen zu bekennen / daß sie ihre Kunst von diesem Thierlein bekommen haben. Das Männlein aber begibt sich auf die Jagt / und bewirbt sich um Nahrung / das Weiblein damit zu erhalten und zu ernehren.

Diß ist nun eigentlich eine Weiber-Arbeit / deren sich keines schämen darff / daher auch Käyser ihre Töchter darzu haben gewehnen lassen. Vom Käyser Augusto schreibet man / daß seine Töchter haben müssen lernen mit Wolle umgehen / auf daß / wann sie solten Armuth leiden / sie sich damit fortbringen könten. Gleichfals lieset man vom Käyser Carolo Magno, daß er nicht nur seine Söhne in guten Künsten und Sprachen habe unterrichten / sondern auch die Töchter das Spinnen lernen lassen / nicht nur zur Vermeidung des Müßiggangs / sondern auch wann das Glück sich änderte / und in Armuth kämen / sie sich damit ernehren könten.


Der Mensch ist zur Arbeit gebohren / wie der Vogel zum Fliegen. Spinnen kommet eigentlich Weibern zu /daher hat man das Sprichwort: Eine Nehnadel und Spindel / eine Wiege /[824] Kinder und Windel / ein Rocken / Woll und Spinnrad / und der Ehefrauen ihr Haußrath.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 823-825.
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