73. Von des [839] Thesei Geburt und Helden-Thaten.

Wie in der 33. Historia der 1. Centuriæ, und in der 6. Historia der 2. Centuriæ, etlicher massen beschrieben seyn die Helden-Thaten Herculis; So will ich auch in dieser etwas gedencken von den Thaten seines gewesenen Gefehrten des tapfferen Thesei.

Theseus, der X. König der Athenienser / ist gewesen ein Sohn Ægæi und der Æthra, gezeuget zu Troezene im Lande Peloponneso, in Abwesenheit des Ægæi, der sich nach Athen hatte begeben / vor der Abreise aber sein Schwerdt und Schuh unter einen schweren Stein verborgen / und seinem Gemahl befohlen / wenn sie einen Sohn gebährete / und derselbige so starck seyn würde / daß er den Stein könte aufheben / so solte er mit dem / was drunter lege / zu ihm gen Athen kommen. Als nun Theseus erwuchs / hat er sich mit denen unter[839] dem Stein gefundenen Zeichen nach berührtem Ort aufgemacht / und unterweges mit vielen Mördern gestritten / auch dieselbigen überstritten und bemeistert. Er hat überwunden den Corynettem, und dessen Kolben hernach allezeit gebrauchet. Denn Mörder Sinnim, (der die gefangene Menschen band an zwo zusammen gebeugete Bäume / die er hernach geschwinde von einander ließ / daß die armen Leute erbärmlich wurden entzwey gerissen /) hat er mit gleicher Marter getödtet. Den Räuber Scio, (dem die Gefangene musten auf einem hohen Felsen die Füsse waschen / von dannen sie hernach von ihm ins Meer gestürtzet wurden) hat er mit gleicher Müntze bezahlet / wie er denn gleichfalls mehr Mörder getödtet hat / biß er nach vielen Streit endlich nach Athen kommen ist / daselbsten erschallete so bald das Gerüchte von seinen Thaten / dieweil aber der König nicht gewust / daß es sein Sohn / trachtete er ihn mit Gifft heimlich umzubringen / lud ihn deßwegen zur Mahlzeit / in Meynung / ihn mit zubereitetem Gifft aus dem Wege zu räumen. Als nun Theseus seine Messer auszog / erkannte Ægeus so bald seinen Sohn / stieß den Becher mit dem Gifft um / und hat so bald allen kund gethan / daß Theseus sein leiblicher Sohn /welchen sie vor ihren zukünfftigen Herrn erkennen solten. Nach diesem hat er ferner seine Helden-Thaten erwiesen. Die Athenienser musten dem Minoi alle sieben Jahr sieben Söhne und Töchter geben / welche wurden im Gefängniß Labyrinth verschlossen / und hernach dem Uberwinder der Gymnischen Spiele gegeben. Dahin ist Theseus freywillig / nebenst andern Knaben gefahren / hat Taurum erschlagen / die andern Knaben in dem Kampff erlöset / und[840] vom Minoë die Nachlassung des Tributs erhalten. Ægeus hatte mit ihm abgeredet / daß er / wann er gesund wieder käme / an statt des schwartzen / ein weisses Segel über sein Schiff spannen solte: Wie er nun dasselbe nicht gethan / hat der Vatter sich eingebildet / er wäre todt / daher sich derselbige vor Leid selbsten von einem Felsen zu tode gestürtzet hat. Also hat Theseus, nach des Vatters Tod / das Regiment überkommen / die Stadt Athen sehr mächtig gemacht / eine Democratie angeordnet / so daß er nur ein Aufseher des Krieges / und ein Bewahrer des Gesetzes verblieben. Er ist ein treuer Gefehrte des Herculis gewesen /und hat viel grosse Thaten gethan / soll zuletzt vom Könige Cyro hinterlistiger Weise vom hohen Felsen herab gestürtzet seyn.


Was ist rühmlicher / als nach Tugend streben? Der Mörder soll man nicht schonen. Auch die Stärcksten bekommen einen Stärckern über sich / und kommen um /ehe sie es sich versehen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 839-841.
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