74. Des Königs von Navarra Trau-Ring.

[841] Jener König von Navarra gab seiner Braut zum Mahl-Schatz einen köstlichen Ring / mit einem schönen Demant besetzet / darauf waren künstlich gestochen die himmlischen Lichter / Sonn und Mond / und oben drüber stunden die drey Wörtlein: Semel, simul, semper. Einmal / zumal / allemal. Ob nun wol heutiges Tages Christliche Eheleute in dem gemeinen Leben und Wesen das Vermögen nicht haben / daß sie einander so köstliche Ringe verehren können / so sollen sie doch die geistliche Deutung nicht aus der Acht lassen / die ihnen durch diesen Ring zu Gemüth geführet wird. 1. Ist der Ring rund / daß man weder Anfang / Mittel noch Ende daran siehet:[841] Also sollen Eheleute beständig seyn in der Liebe / und nicht nur wol anfangen / sondern auch wol aushalten / auch dabey trachten nach dem unendlichen Gute. 2. Die Sonn und der Mond bedeuten / daß der Mann soll seyn die Sonne in seinem Hause / und demnach mit dem Schein eines guten Exempels dem gantzen Hause fürleuchten. 3. Die drey Wörter semel, simul, semper, haben auch ihre Bedeutung. Semel, zeiget an / daß solche Verlobung nur einmal geschehe / wann sie aber geschehen / so habe sie darnach solche Krafft /daß sie nicht wieder könne retractiret werden: Dann was GOtt zusammen füget / das soll der Mensch nicht scheiden. Simul, zugleich / bedeutet / daß solch Versprechen nicht nur von einem / sondern von beyden müsse gehalten werden. Das Wörtlein Semper, allezeit / soll sie erinnern / daß es nicht nur auf eine Woche / auf ein Monat / auf ein Jahr angesehen sey /sondern wann sie einander die Hand gegeben haben /so gilts so lange sie leben.


Ein Freund kommt zum andern in der Noth / aber Mann und Weib vielmehr. Unter Eheleuten soll seyn die allergrößte Vertraulichkeit / daß es heisse: Mein Hertz /dein Hertz.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 841-842.
Lizenz:
Kategorien: