87. Denckwürdiges Gespräch eines Christen mit einem Juden.

[857] Es wird eine denckwürdige Historie erzehlet / die sich mit einem Christen Philippo, und einem fürnehmen Juden Theodosio zur Zeit Käysers Justiniani soll begeben haben. Dieser Jude ist von[857] den Christen offt ermahnet worden / er solte sich bekehren / dann er in heiliger Schrifft wol belesen / und nicht leugnen können / unser HErr Christus wäre der verheissene Meßias. Der Jude hat nicht einwilligen wollen / besonders weil er ein Obrister der Juden / und in grossem Ansehen bey ihnen gewesen / hat aber dem Christen ein Geheimniß entdecket von einem Buch / welches die Juden haben / darinnen stehe / CHRISTUS sey der Heyland der Welt / und hats folgender massen beschrieben. Zu Jerrusalem / sprach er / ist bey den Juden die Gewonheit gewesen / daß sie allezeit 22. Priester im Tempel gehabt / nach der Zahl ihrer Hebräischen Buchstaben / und der Bücher des Alten Testaments. Daher ist ein groß Buch im Tempel gelegen / darinn eines jeden Priesters Nahme / Geburt / Geschlecht und Herkommen verzeichnet worden. Nun hat es sich begeben / daß eben / da CHRISTUS in Judea umgangen / einer aus den Priestern verschieden. Da nun die Priester zusammen kommen / und berathschlagen / wen sie jetzo erwehlen wolten / ist einer aufgestanden / und hat geruffen: Ich will / daß an des todten Priesters Stelle erwehlet werde JESUS / des Zimmermanns Josephs Sohn / welcher an Alter zwar jung ist / aber im Reden und Leben trefflich / daß seines gleichen nirgend kan gefunden werden. Darauf hat man die Jungfrau Mariam / weil Joseph schon verstorben war / beruffen / welche Zeugniß geben / sie sey eine Mutter JESU / aber er habe auf Erden keinen Vatter / und erzehlet solches mit Umständen / wie die Historie Luc. 1. und 2. zu finden. Demnach haben die Priester ihr Buch gebracht / und also darein geschrieben:[858] Auf diesen Tag ist verschieden unser Mit Priester / ein Sohn des und dieses / und ist an seine statt / aus gemeiner Willkühr / erwehlet worden der Priester JESUS / welcher ist des lebendigen GOttes Sohn /und ein Sohn der keuschen Jungfrauen Maria. Dieses Buch ist im Tempel behalten worden / biß auf die Zerstörung Jerusalem / von dannen es in die Stadt Tyberias gebracht worden ist. Darauf der Christ dem Juden geantwortet / er wolte solch Geheimniß dem Käyser anzeigen / daß er in die Stadt Tyberiadem schickte / und das Buch holen lasse / zum Zeugniß des Unglaubens der Juden. Der Jude aber hat kläglich gebeten / er wolle es bleiben lassen / weil ohne groß Blutvergiessen das Buch von den Juden nicht könte zuwege gebracht werden / die ihr Leib und Leben liessen / ehe sie das Buch einigen Christen liessen sehen / und würden ehe den Ort / da diß Buch lieget /und alles selbsten verbrennen / ehe sie jemand von den Christen dahin kommen liessen. Mit diesen Worten hat sich der Christ bereden lassen / daß er solches dem Käyser nicht angezeiget / aber sonsten seinen Bekannten und Freunden offenbahret.


GOtt hat die Juden aus gerechtem Gericht dahin gegeben in verstockten Sinn. Wie viele widerstreben der Warheit. Aus GOttes Wort wissen wir / daß JESUS sey der rechte Meßias der Welt.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 857-859.
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