94. Erzehlung etlicher Ketzer und Ketzereyen /die von Zeit zu Zeiten entstanden.

[867] Es ist die Zahl der Ketzereyen / die von Jahren zu Jahren sich herfür gethan / fast groß / wollen derer etliche berühren.[867]

Es seyn gewesen Apostolici, wie sie sich genannt /welche von dem Heil. Ehestand nichts gehalten /darzu allerley Traditiones und Menschen-Satzungen angenommen.

Der Ebion hat fürgegeben / der HErr JEsus sey von Joseph und Maria natürlicher Weise gezeuget / sey auch nur ein blosser Mensch gewesen / und gelehret /man solle alle Jüdische Ceremonien halten / auch im Neuen Testament. Dieses hat auch gelehret der Ertz-Ketzer Cerinthus, bey welchem Johannes im Bade nicht wollen sitzen / in Sorge / es möchte der Boden mit ihnen einfallen. Der hat einen Unterscheid gemacht zwischen JEsu und Christo; der unsterbliche Christus sey in der Tauben-Gestalt bey der Tauffe in ihn gefahren / habe aber denselbigen zur Zeit der Creutzigung verlassen / damit er sterben konte; Die Beschneidung und alle Mosaische Gesetze hat er für nöthig gehalten. Die Chiliastæ haben ihnen eingebildet / daß Christus für dem Jüngsten Tage werde tausend Jahr auf Erden ein weltliches Reich mit den erweckten Auserwehlten und den Frommen / die auf Erden leben / anrichten.

Die Angelici haben die Engel angebetet.

Die Anthropomorphitæ haben vorgegeben / GOtt sey in seinem Wesen ein Mensch / und habe menschliche Gliedmassen / menschliche Affecten und Sinne.

Origenistæ haben alles Allegorisch erkläret / und die Philosophie mit der Schrifft vermischet.

Die Aētiani haben den Ehestand für sündlich geachtet / und sich des Fleisch-Essens eine Zeitlang enthalten / denen auch beygestimmet die Encratiten.

Die Severianer gaben vor / der Wein komme vom[868] Teuffel her / daher sie den Kelch vom Heil. Abendmahl abgeschaffet / so hielten sie auch vom weiblichen Geschlecht / daß dasselbige sey ein Werck des Teuffels / und die in der Ehe leben / dienen dem Teuffel / das haben auch die Tatianer vorgegeben.

Die Montanisten haben verworffen die andere Ehe / die Ehe-Scheidung zugelassen / den Weibern das Predig-Amt anvertrauet / das Blut eines jährigen Kindes genommen / und das mit dem Brodt im Heil. Abendmahl vermischet / die Todten getauffet / etc. Ihr Anfänger Montanus soll sich selbst erhenckt haben.

Die Manichæer haben auch viel greuliche und lästerliche Irrthümer geführet. Als / da sie gesaget / es wären zween ewige Götter / ein guter und ein böser /Christus habe nicht warhafftig gelitten / sey auch nur nach dem Schein gestorben. Sonn und Mond soll man anbeten. In einem jeden Menschen wären zwo Seelen / eine gute und eine böse / welche allezeit mit einander stritten. Der Ehestand gefalle GOtt nicht / die Sünde sey ein selbst-ständiges Wesen. Die Tauffe wäre nichts nütze. Man solle das Heilige Abendmahl mit Manns-Saamen vermengen. Ein böser Gott habe das Gesetz gegeben. Das Fleisch essen / wie auch den Stand der Obrigkeit haben sie verworffen.

Die Mirabiliarii rühmeten sich der Weissagungen /Wunderwerck / Entzückung und Erscheinungen.

Die Discalceati und Nudipedales waren scheinheilige Leute / die / wann sie beteten / oder an heilige Oerter treten wolten / die Schuh ausgezogen und baarfuß gangen seyn. Die Aquarii wolten / man solte den Wein im Heil. Abendmahl mit Wasser vermischen /oder gar Wasser an statt Wein nehmen.[869]

Die Novatianer haben denen / so gesündiget / die Absolution versaget / und ihnen die Seligkeit gantz abgesprochen / ob sie gleich Busse und Besserung versprochen.

Die Pelagianer haben die Erb-Sünde verleugnet und gelehrt / man könne aus eigenen Kräfften das Gesetz erfüllen.


Man mag wol beten: Für diese und andere Schwermer und Ketzer / behüte uns lieber HErre GOtt.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 867-870.
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