95. Von einem / der drey Freunde gehabt.

[870] Es erzehlet der alte Kirchen-Lehrer Damascenus eine feine verblühmte Historiam: Es sey ein Mensch gewest / der drey gute Freunde gehabt / von denen er zween sehr geliebet / dem dritten aber wenig Freundschafft gethan habe. Als nun derselbige Mann auf eine Zeit in Leib- und Lebens-Gefahr gerathen / ist er zum ersten Freunde gekommen und hat ihn gebeten / daß er ihm wolte zu Hülffe kommen / aber der hat mehr nicht gethan / denn daß er ihm ein Kleid zugeworffen / damit er könte für Gericht gehen. Er sey auch zu dem andern gegangen / aber er habe von ihm keinen andern Trost bekommen / dann diesen / er wolle ihn eine Weile zum Richterstuhl begleiten. Als er nun deßwegen zu dem dritten kommen hat derselbige über alles Versehen sich seiner ganz treulich angenommen / indem er nicht nur sein Gleitmann worden / sondern auch selbsten den Richter er seine Statt angeredet /und ihm seine Sache getreulich vertreten. Dieses hat gemeldter Lehrer auf den sterbenden Menschen gezogen / und damit abgebildet / wie es in dem Tode mit uns ergehe. Wir haben[870] drey Freunde; Die erste ist unser Haab und Gut; Der ander unser Weib und Kinder / Bluts-Freunde; die lieben wir am meisten / der dritte ist Christus / dessen man am wenigsten achtet. Wann wir nun sterben sollen / so ruffen wir sie alle um Hülffe an. Der erste Freund / der Mammon giebt uns gar kurtzen Bescheid / giebt uns ein Leilach oder Hembd / damit wir unsere Glieder bedecken können /nach dem Sprichwort: Ein Tuch ins Grab / darnach schab ab! Der ander Freund seyn die Nechsten / die thun etwas mehrers / sie gehen mit uns zum Grabe /und begleiten uns vollend hinaus. Der dritte aber Christus / dessen wir offt so wenig achten / der thut das Beste bey uns. Er begleitet uns im Tod / und führet uns auf rechter Bahn. Er bereitet uns den Weg zum Himmel. Ja er tritt für den Richterstuhl mit uns / als unser Fürsprecher und vertritt uns bey GOtt.


Geld und Gold kan nicht erretten am Tage des Zorns. Wer Christum zum Freunde hat / der ist wohl daran.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 870-871.
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