27. Der wunder-alte Jude.

[908] Im Jahr Christi 1547. soll Hr. Paulus von Eitzen / der H. Schrifft Doctor und Bischoff zu Schleßwig / wie Zeilerus im andern Theil der Send-Schreiben Epist. 507. p. 700. 701. berichtet / zu Hamburg in der Kirchen an einem Sonntage einen Mann in gar schlechten Kleidern und barfuß im Winter angetroffen haben / so eine lange Person / mit langen über die Schultern hangenden Haaren / welcher gar andächtig der Predigt zugehöret / und anzusehen gewesen wie ein Mann von 50. Jahren. Nachgehends hat der Herr Doctor mit ihme / ausser der Kirchen / geredet / der ihm bescheidentlich gesagt / er wäre ein gebohrner Jude von Jerusalem / mit Namen Ahasverus, seines Handwercks ein Schuhmacher / so persönlich bey der Creutzigung Christi gewesen / und biß dahero lebendig geblieben: Davon er / wie auch von den Aposteln / den Regiments-Veränderungen in den Orientalischen Ländern /und andern dergleichen Sachen ordentliche Erzehlung gethan / und gesagt / Christus habe unter dem schweren Creutz an seinem / des Jüden Hause / ruhen wollen / er aber habe ihn abgetrieben / und gesprochen /er solle sich weg packen / wohin er gehöre / darauf Christus zu ihm gesagt habe: Ich will allhier stehen und ruhen / aber du solt gehen biß an den Jüngsten Tag. Dieser Jude hat sich gar still und eingezogen verhalten / und nicht vielmehr / denn was man ihn gefraget / geredet / wenn er den Nahmen[908] JEsus hörete /neigete er sich zum demüthigsten / und schlug inniglichen an seine Brust / wenn er einen fluchen gehöret /hat er mit grimmigen Eyffer und Seuffzen gesagt: O du elender Mensch / O du elende Creatur! soltestu den Nahmen GOttes deines HErrn / und seiner bittern Marter und Leiden also liederlich mißbrauchen? Hättestu als ich gesehen / wie schwer und sauer dem HErrn Christo seine Marter / meiner und deiner Sünden wegen wäre worden / du würdest dir eher selbst groß Leid anthun / als so umsonst seinen Namen verunehren. Wenn dieser Jude zu Gast geladen war / hat er wenig gessen und getruncken / und wenn ihm Geld verehret worden / hat er nicht über 2. Schilling genommen / davon er doch alsobald den Armen wiederum ausgetheilet hat / mit Anzeigung / er bedörffte keines Geldes / GOtt werde ihn wol versorgen. Man hat ihn niemahls lachen gesehen; In welches Land er kommen / desselben Sprache hat er gebraucht: Es seynd mehr Leute / auch Herren-Standes und vom Adel gewesen / so diesen Menschen in Engelland /Franckreich / Italien / Hungarn / Persien / Hispanien /Polen / Moscau / Lieffland / Schweden / Dännemarck / Schottland / und andern Oertern / auch in Teutschland / zu Lübeck / Rostock / Wißmar / Dantzig / Königsberg / gesehen. Anno 1575. haben zween Hollsteinische Gesandten / darunter der Secretarius, Christoph Krauß / ihn zu Madrit zu Spanien in aller dergleichen Gestalt / Alter / Leben / Kleidung und Geberden angetroffen / und selbsten mit ihme geredet. Konte damahls gut Spanisch. Anno 1599. befand er sich zu Wien / und An. 1601. zu Lübeck. An. 1616. ist er in Lieffland / zu Krakau in Polen / und in der Moscau[909] von vielen Leuten gesehen worden / die auch mit ihm geredet. Aber das ist nichts anders als ein Gedichte / wie solches weitläufftig bewiesen Joh. Sebast. Mitternacht / Dissert. 19.


Der Leute Betrug ist groß in der Welt / es ist nicht alles zu glauben / was sie offt fürgeben / doch wäre es kein Wunder / wann dergleichen Straffe aus gerechtem Gerichte GOttes über einen Juden verhängt wäre.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 908-910.
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