45. Liebes-Bissen.

[933] Ein Teutscher von Adel hat sich lange Zeit in der schönen Stadt Neapolis aufgehalten / und mit einer Hoff-Dirne / derer Thür allen offen gestanden / brünstiger Liebe gepflogen / so gar / daß sie geraume Zeit über sich aller anderer Gesellschafft enthalten / und allein dieses Teutschen abgewartet. Dieser nun wurde einsmals nach Hause entbeten / konte aber von der Bestien nicht entlediget werden. Endlich als es muste geschieden seyn / bittet sie ihn zur Mahlzeit / und setzet ihm zur Collation allerhand Zuckerwerck / und Schleckerbißlein für / unter welchen ein Zelten / die sie ihm mit auf den Weg giebt / weil er aus Traurigkeit oder sonsten gefasten Unlust nicht essen wollen /damit nimmet er seinen Abschied / nicht sonder vielfältige Thränen / weil sie sich seiner als ein Eheweib gehalten. Als er nun auf halben Weg nach Capua gekommen /[933] fällt das Pferd unter ihm zu Boden / und will nicht wiederum aufstehen / er steiget ab / gürtet den Sattel auf / und zäumete den Gaul ab / er bleibt aber als halb todt liegen. In Ermangelung aller Labung giebt er dem Pferde die Liebes-Zelten / welche er von ihr auf die Reise empfangen / zu essen / so bald das Pferd solche in den Leib bekommen / steht es wiederum auf / und laufft zurücke nach Neapolis /für der Dirnen Thür und zwar so schnell / daß es niemand aufhalten konte. Der Teutsche gehet hernach so geschwinde als er konte / fragte wo das ledige Pferd hingelauffen / und wird dahin gewiesen / wo er denn sein Pferd gantz rasend an die Thür schlagend gefunden / welches als sie herunterkommen / auf sie springen wollen / dadurch sich denn eröffnet / daß ihme vermeynt gewesen / was dem Pferd beygebracht worden. Als er solches gesehen / hat er ein ander Pferd gemiethet / und GOtt gedancket / daß er ihn für solchem Unglück behütet / weil er nicht allein seine Reise unterlassen / und der Dirn nachgelauffen / sondern auch gewiß rasend worden / und von seinen Sinnen kommen wäre / allermassen dergleichen Liebes-Geträncke und Buhler-Speisen solche Wirckung zu haben pflegen.


Man soll sich für böser Gesellschafft hüten / und sonderlich für Weibs Personen in fremden Landen. Viel haben die Weiber verführet / und in zeitliche und ewige Seelen-Gefahr gestürtzet.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 933-934.
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