46. Das Stockholmische Gespenst.

[934] In der Hauptstadt des Königes in Schweden Stockholm / hat sich begeben / daß ein Fleischhacker oder Metzger daselbst / sich in eine schöne Dienstmagd verliebet / welche aber so bedachtsam / daß[934] sie in seinen sündlichen Willen nicht willigen wollen / es sterbe dann sein Weib / und daß er sie ehliche / und zu Kirchen und Strassen führe. Weil aber die Alte nicht fahren wolte / massen nach dem Sprichwort / viel dazu gehöret / biß ein altes Weib stirbet / fället ihm die Nachwart zu lang / daß er auf Mittel bedacht / ihr der Marter abzuhelffen. Er lässet einen Sarg machen /weil damals die Pest regierte / und zerspaltet dem schlaffenden Mütterlein das Haupt mit seinem Schlachtbeil / mit welchem er die Rinder zu schlachten pflegte / legte sie in den Sarg / mit Vorgeben / sie wäre eiligst an der Pest gestorben. Nachdem sie nun zu der Erden bestattet / hat er ihm die Magd trauen lassen / und ist solcher Mord niemand als dem Thäter bewust gewesen. Es befande sich aber ein erschreckliches Gespenst in dem Hause / welches diesen Mann verunruhigte / und endlich aus dem Hause getrieben /weil er vor diesen Schrecken-Bild nicht schlaffen können. In einer andern Behausung / welche er gemiethet und diese öde stehen lassen / hat er zwar geruhet / je doch nicht ohne heimliche Gewissens-Plage / welche bey so vorsetzlichen Sünden selten lange aussen bleibet. Es fügte sich nachgehends / daß ein Reichs-Tag zu Stockholm ausgeschrieben wird / und eine Adeliche Wittibe in Beschäfftigung einer Rechts-Sache dahin verreiset / und wegen der Menge Volcks keine Herberge bekommen kan / als eben diese / wegen des Gespensts unbewohnte Behausung. Man sagte ihr die Ursache / warum das Hauß nicht bewohnet würde /sie scheuete sich aber nicht / so wohl Tages als Nachts darinnen zu verbleiben / mit festem Vertrauen / GOTT / welcher sich der Wäysen[935] Vatter und der Wittiben Trost nennet / werde sie beschützen und beschirmen. Zu Mitternacht kommet das Gespenst mit grossem Gepolter in die Stuben / die Wittibe betet zu GOTT / und wendet das Angesicht gegen die Wand /biß das Gespenst verschwunden / welches sie kaumlich rückwärts erblicket / und in eines Weibes Gestalt mit zerspaltenen Haupt gesehen. Weil ihr nun kein Leid wiederfahren / ermahnet sie sich folgende Nacht / als das Gespenst wiederum erschienen / und redet nach gethanem Gebet zu GOtt / das Gespenst mit diesen Worten an: Alle gute Geister loben GOtt den HErrn. Das Gespenst in vorbesagter Gestalt / antwortet: Ich bin ein guter Geist / und lobe auch GOTT den HErrn. Hierdurch wird die Wittibe behertzt / und erkühnet sich zu fragen / warum denn dieser Geist sich in der wüsten Behausung aufhalte? Nach kurtzer Erzehlung vorermeldter Mord-That / hat dieser Geist zu verstehen gegeben / es könnte der Leib nicht ruhen /biß ihr Mann von der Obrigkeit zu verdienter Straffe gezogen würde. Dieses alles ist noch wol glaublich /was aber folget / lautet hart / und wenn es nicht von hohen Personen wäre bekräfftiget worden / möchte jemand Ursach haben / an solchem Verlauff zu zweiffeln. Hierauf soll diese Wittibe ihren Wappenring von dem Finger gezogen / selbigen zwischen die zwey Theile des Haupts eingeworffen / und solche als der zerspaltene Schedel mit ihrem Haartuch wieder zusammen gebunden haben. Darauf denn das Gespenst verschwunden: So bald der Tag angebrochen / hat vielbesagte Wittibe diese Begebenheit der Obrigkeit angesaget / und weil man ihr nicht Glauben zustellen wollen / ist das Grab eröffnet /[936] das Haartuch darinnen der Name genähet / sammt dem Ringe wieder gefunden / und der Mörder / welcher ihm nicht einbilden können / wer ihn doch verrathen habe / zu gebührlicher Straffe gezogen worden.


Es ist nichts so klein gesponnen / es kommet endlich an die Sonnen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 934-937.
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