79. Treue der Minyschen Weiber.

[969] Die Minyæ sind ein Volck Græciæ gewesen / deren Vorfahren mit Jasone in Colchidem geschiffet sind /und nachmals die Insul Lemnum bewohnet haben. Als sie aber aus derselben von den Pelasgern oder Archivern vertrieben wurden / haben sie sich flüchtig in der Spartaner Landschafft begeben / und an den Berg Thaygetum gesetzt / allwo sich die Spartaner aus Erbarmung ihrer angenommen / und ihnen das Bürgerrecht zu Sparta geschencket haben. Anfangs hielten sich diese Minyæ so wohl / daß die Fürnehmsten in der Stadt ihnen ihre Töchter zu Weibern gaben. Aber darnach seynd sie undanckbar worden / und haben mit bösen Stücken das Reich an sich zu bringen gesucht /um welcher Ursach willen sie zum Tode verurtheilt /und in das Gefängniß geworffen[969] wurden. Da haben ihre Weiber ihnen grosse Treu erwiesen / sintemahl sie ihre Kleidung mit den Männern verwechselt / und an ihre statt im Gefängniß blieben sind / dadurch die Männer in den Weibeskleidern aus dem Gefängniß entkommen / und von der augenscheinlichen Todes-Gefahr errettet sind.


Frömmigkeit und treue Liebe sind die beste Zierde eines Eheweibes: Hingegen ist Undanckbarkeit ein schändlicher Unflath an tapffern Männern.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 969-970.
Lizenz:
Kategorien: