85. Sprichwort: [975] Crocodili lacrymæ.

Der Crocodil ist ein grausames Thier / welches gefunden wird vornemlich in Egypten / wie auch in Ost-und West-Indien / und aus einem geringen Anfang zu einer ungeheuren grossen Bestien wird / sintemahl seine Eyer den Gänse-Eyern gleich sind / das daraus gebohrne Junge aber 16. oder 18. Ellen lang wächset. Dieses Thier lebt so lange als die Menschen / und hat keine Zunge / wiewol etliche wollen / daß es unten eine kleine Zunge habe. Sein gantzer Rücke ist mit dicken und harten Schuppen gegen alle Verwundung trefflich gewaffnet / hat einen sehr langen Schwantz /und grosse scharffe Zähne / welche unheilbare Wunden machen. Des Tages lebet es gemeiniglich auf der Erden /[975] des Nachts im Wasser / in welchem es ein blödes / ausserhalb desselben aber ein scharff Gesicht hat: Verschlingt so wol Menschen / als andere zum Fluß nahende Thiere / welche es mit seinen scharffen Klauen grausamlich zerreißt: Ist furchtsam / als welches vor den Verfolgenden fleucht / die Fliehende aber verfolget. Man sagt / es soll mit gleicher Anzahl Jahre erleben / als Zähne haben: Insonderheit soll ihm die 60ste Zahl eigen seyn / weil es alle Jahr in 60. Tagen 60. Eyer legt / und in eben so viel Tagen ausbrütet / auch des Winters 60. Tage lang in einem ab gelegenen Ort ohne Speise ruhet. Diß eintzige Thier /sagt Plinius, bewegt den obersten Kinbacken / wann es isset. Man sagt auch / wann es einen Menschen verschlingen wolle / so lasse es erstlich Thränen fallen / daher ist das Sprichwort genommen: Crocodills-Thränen / wann einer nemlich aus falschem Hertzen ohne Mitleiden weinet.


GOtt der HErr hat seine Macht wunderlich auch an den wilden Thieren abgebildet.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 975-976.
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