15. Des weisen Mannes [528] Platonis Eltern / Geburt und Thaten.

Der berühmte Philosophus Plato ist gebohren zu Athen in Griechenland / im vierdten Jahr der 53ste Olympiadis, das ist im Jahr der[528] Welt 3618. Sein Vater war Aristo, aus dem Geschlecht Codri des letzten Königs zu Athen. Seine Mutter hieß Perictione, deren Geschlecht hergeleitet ward vom Solone, einem unter den sieben Weisen in Griechenland. Die Beschaffenheit des Himmels / als er gebohren ward / ist eine solche gewesen / daß die Sterngucker nicht anders vermeynet haben / als daß ein sehr beredter und sinnreicher Mann aus ihm werden solle. Man schreibt / wie er noch in der Wiegen gelegen / haben ihm die Bienen Honig in den Mund getragen / woraus kluge Leute alsbald geschlossen / daß er dermaleins würde ein sehr lieblicher Redner werden. Als er 21. Jahr alt war / hat ihn sein Vater dem Socrati zu unterweisen anvertrauet: Und wird erzehlet / daß Socrates die vorige Nacht einen Traum gehabt / als wann ein junger Schwan in seinem Schoosse habe Federn bekommen /welcher auch / so bald ihme die Federn ein wenig gewachsen / sey in die Höhe geflogen / und habe angefangen lieblich zu singen. Und wie hierauf des Platonis Vater dem Socrati seinen Sohn zugeführet / habe Socrates gesagt: Dieser sey eben der Schwan / welcher ihm im Schlaafe vorkommen. Nach Socratis Tode hat er sich zu Cratylo, so des Heracliti Zuhörer gewesen / und zum Hermogene des Parmenidis Nachfolger gesellet. Darnach ist er verreiset / und hat zu Megara den Euclidem, zu Cyrene den Theodorum, beyde Mathematicos, zu Tarento in Italien den Architam, zu Locris den Timæum, zu Crotona den Philolaum, die Pythagorische Philosophos gehöret. Nach diesem hat er sich in Egypten begeben / und den Egyptischen Priestern und Weissagern zugehört / und hält Augustinus wie auch andere Altväter dafür / daß er daselbst auch in der[529] Heil. Schrifft des A. Tstam. sey unterrichtet worden / angesehen / daß viele Dinge in des Platonis Schrifften gefunden werden / welche mit der H. Schrifft des A.T. gar schön übereinkommen / dergleichen bey keinem andern Philosopho gelesen werden. Daher auch etliche auf die Meynung kommen sind / als wann Plato zu Jeremiä Zeiten in Egpten gelebet / und von demselben Propheten unterwiesen sey. Weil aber die Vergleichung und Zusammenrechnung der Zeit hiermit nicht übereinstimmet /so ist dieser Mynung wenig zu trauen. Er hatte sich auch vorgesetzt die Magos in Persien / und Gymnosophisten in Indien zu besuchen / wo ihn nicht die Asiatischen Krige verhindert hätten. Er hat dreymal in verschiedenen Kriegen gesieget. Zum dritten mal ist er in Sicilien gereiset. Das erste mal den mit Feuerbrennenden Berg Ætnam, und Gelegenheit der Insel zu besehen. Das andermal / auf Bitte des Dionysii Königs derselben Insul / um denselben durch Rath und heilsame Lehre dahin zu bewegen / daß er ein löblich Regiment daselbst führen möchte. Das drittemal / den vertriebenen Dionem wieder mit dem Dionysio zu versöhnen / welche beyde letztere Vornehmen er doch nicht erhalten hat. Als er nun zu Athen anfieng zu lehren / hat er nicht allein viel Zuhörer bekommen / sondern auch den Ort so berühmt gemacht / daß / da zuvor die Griechen in fremden Landen die Weißheit suchen und lernen musten / nach Platonis Zeiten alle Welt um Weisheit zu lernen / gen Athen gleichsam zusammen geflogen ist. Er war so ein lieblicher und gewaltiger Redner / daß Cicero auch an einem Orte schreibet: Wann der Gott Jupiter hätte wollen mit Menschen-Zungen reden / würde er sich keiner / als des Platonis wohlredender[530] Zungen gebraucht haben. Daher hat der Mann ein solch Ansehen erlanget / daß wie auf eine Zeit einer eine Tragœdiam hersagte /deren der eintzige Plato zuhörte / und ein ander sagte: Es wäre dem Oratori schimpfflich / nicht mehr als nur einen Zuhörer zu haben / hat er geantwortet: Dieser eintzige ist höher zu achten / als alle Athenienser. Und mercklich ists / was Cicero sagt an einem andern Orte: Er wolle lieber mit Platone irren / als mit an dern der Warheit beystimmen. Was anlangt seine Person / ist er sehr schön und starck von Leibe gewesen /also / daß er auch von seinen breiten Schultern / grossem Gesichte / und des gantzen Leibs Grösse den Nahmen bekommen / daß man ihn Plato genennet hat / da er zuvor Aristocles hieß. Es ist kein Fehl an ihm gewesen / ohne daß er eine kleine und heissere Sprache / wie auch einen kleinen Buckel oder Hocker auf dem Rücken gehabt.


In der Jugend erscheinet bald / was aus einem werden wil / nach dem Sprichwort: Urit mature, quod vult unica manere.

Geschicklichkeit erweckt einen unsterblichen Nahmen / und groß Ansehen bey jederman / jedoch muß alles menschliche Ansehen der Warheit weichen / und wird derhalben nicht unbillich dem Spruch Ciceronis entgegen gesetzt jenes gelehrten Spruch: Amicus Socratis, Amicus Plato, amicus Philosophus (Aristoteles) sed magis amicu veritas.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 528-531.
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