16. [531] Platonis Lebens-Wandel und Tod.

Nachdem wir von der Geburt / Auferziehung / Geschicklichkeit und Person des weisen Philosophi Platonis in voriger Historie geredt haben / so als billich /daß wir diese Materie fortsetzen / und von seinem Lebens-Wandel und Ende auch etwas melden: Er hat geführet gar ein fromm eingezogen Leben / aß täglich nur ein oder zum höchsten zweymal / schlieff gantz allein / und brachte sein Leben eheloß zu. Damit[531] er aber die fleischliche Begierden destomehr bezähmete und der Philosophie abwarten könte / hat er erwehlet einen Ort / Nahmens Academia, welcher nicht allein fern von Athen in einem Walde entlegen / sondern auch gar ungesund war / auf daß er durch stetige Kranckheiten die Ungestümmigkeit der Lüste bezämen / und seine Schüler keine andere Wollust empfinden möchten / als deren Dinge / welche sie lerneten. Er ist sonst auch eines standhafftigen Gemüths / tapffer und gutthätig gewesen gegen seine Freunde. Dann wie der tapfere Kriegs-Held Cabrias von seinem geschwornen Feinde dem Crobylo auf Leib und Leben angeklagt / und von allen andern Mitbürgern in seiner Noth verlassen ward / ist dennoch Plato allezeit beständig bey ihm verblieben / und ihm Hülffe und Beystand geleistet. Und obschon der Verleumder Crobylus ihn von seinem Fürnehmen vermeynte abzuschrecken / ihm dräuete und sprach: Kömmstu noch / und wilt andern beystehen / da doch des Socratis Gifft auch dir bereitet ist / hat ihm Plato mit unerschrockenem Gemüthe geantwortet: Höre Crobyle wie ich stritte vor das Heil meines Vaterlandes / nahm ich gern und willig die Gefahr des Lebens auf mich: Nur ich aber wache für die Ehre und Wolfahrt meines Freundes / solst du mich weder mit Dräuworten / noch mit dem Schwerdt und Gifft davon abschrecken. Wie er andere Leute gelehret mit Worten / das hat er selbst mit der That in acht genommen. Dann ob er schon so wol wegen seines erblichen Rechtens / als auch der Bürger Gunst leichtlich hätte das Regiment zu Athen bekommen können / hat er doch solche Würde allezeit abgeschlagen und verachtet. Seine Güter / welcher viel waren / hat er nicht geachtet / sondern seinen Reichthum[532] und väterlich Erbe seinen Brüdern ausgetheilet. Er war ein Unterweiser und angenehmer Freund der Könige / Fürsten und anderer fürnehmen Personen / aber Geld / als ein nichtiges Ding / nahm er nicht von ihnen / daher der König Dionysius zu sagen pflegete: Aristippus fordert allezeit Geld / Plato aber begehre immerzu Bücher. Seine Gottesfurcht ist auch billich zu rühmen / sintemal er in allen seinem Thun den Anfang mit GOtt und zu GOtt machte. Insonderheit pflegte er seinem GOtt für dreyerley Dinge zu dancken: Nemlich daß er (1.) ein vernünfftiger Mensch / (2.) zu Athen / und (3.) zu Zeiten Socratis gebohren wäre. Wie er nun biß in sein hohes Alter in solchen Tugenden verharret / und nunmehr das 81. Jahr erreichet hatte / ist er sanfftiglich unter dem Schreiben / wie Cicero erzehlet / oder wie andere wollen / auf einer Gasterey mitten unter dem Gespräch gestorben.


Es stehet wohl / wann Lehr und Leben zusammen stimmet. Auf ein gut Leben folget gemeiniglich ein guter Tod / nach dem Sprichwort: Non potest male mori, qui bene vixit.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 531-533.
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