17. Kluge Reden und Schrifften [533] Platonis.

Aller guten Dinge sind drey / wie man im gemeinen Sprichwort zu sagen pflegt: Weil wir dann zwey Historien von dem weisen Platone, und dessen Geburt /Person / Leben und Tod erzehlet haben / so wirds nicht unnützlich seyn / wann wir auch die dritte von seinem nachdencklichen Reden und Schrifften hinzusetzen. Er pflegte zu sagen / daß die Erkäntniß GOttes die rechte Weißheit und wahre Tugend wäre. Nur einen GOtt und Schöpffer aller Dinge hat er erkannt und gesagt: Man müste das Zeitliche hindan setzen /und allein nach dem Ewigen trachten. Ja so heilsame Lehren hat er geführet von GOtt /[533] Erschaffung der Welt und höchstem Ente / daß er der Meynung der Christen gar nahe kommen / und auch viele daher dafür gehalten haben / daß er solche Sprüche und Meynungen aus dem A. Testament geschöpffet habe. Er hatte zween Lehrjünger von gar unterschiedener Natur / nemlich Aristotelem und Xenocratem, deren dieser gar langsam und eines schwachen Verstandes /jener aber sehr hurtig und lehrsam war / daher pflegete er zu sagen: Er habe ein Pferd / welches des Zaums / und einen Esel / so Sporen bedürfftig wäre / zusammen gebracht Wann er einen Verliebten sahe / sprach er: Dieser ist ihm selbst erstorben / und lebt in eines andern Leibe. Wie sich viele seiner Zuhörer verwunderten / daß Xenocrates, welcher sonst allezeit sauer sahe einsmals etwas lächerliches fürbrachte / sprach Plato: Was Wunder ists / daß unter den Dornen auch bißweilen Lilien herfür wachsen? Zu seinen Zuhörern pflegete er offt zu sagen: Liebet vielmehr die Arbeit /als den Müßiggang / es sey dann / daß ihr meynet /daß der Rost dem Glantze vorzuziehen sey. Wenn er sie wolte zu einem tugendhafften Leben anmahnen /sprach er: Sie solten die gantz widerwärtige Eigenschafften der Tugenden und der Laster wol betrachten. Dann auf der Wollüste kurtze Süßigkeit folge ein ewiger Schmertz. Aber auf der Tugend kurtze Arbeit und geringen Schweiß / erfolge eine beständige Ergetzligkeit. Den Trunckenen und Zornigen hat er gerathen /daß sie solten in den Spigel sehen / so würden sie sich für demselben Laster ins künfftige hüten. Er sagte auch es wäre einem verständigen Menschen nichts lieber dann die Warheit hören und reden / sintemahl nichts bessers und köstlichers sey / dann die Warheit. Wie[534] ihn etliche fragten: Was für Güter sie ihren Kindern fürnemlich solten sammlen? Antwortet er: Solche / welche keine Gefahr / Ungewitter / noch Gewalt der Menschen fürchten / ja welche den Gott Jupiter selbst nicht scheuen. Als ein ander fragte: Was für ein Unterscheid wäre zwischen einem Erfahrnen und Unerfahrnen / oder zwischen einem Gelehrten und Ungelehrten? Sprach er: Eben so ein grosser Unterscheid ist unter ihnen / als zwischen einem Krancken und Artzte. Einem Fürsten / sagte er / ist die Klugheit eben so nöthig und nützlich / als dem Leibe die Seele. Aber es würde gar zu lang fallen / alle seine kluge Sprüche zu erzehlen. Es seynd dieselben häuffig zu finden in seinen hinterlassenen Schrifften / welche berühmt seyn unter den Gelehrten. Er hat geschrieben ein Buch von der Heiligkeit / von der Seelen Unsterblichkeit / von der Wissenschafft / vom Wesen / vom Königreich / von der Liebe / von der Schönheit / von der Weisheit / von der Mäßigkeit / von der Tapfferkeit / von der Freundschafft / vom gemeinen Nutzen /von den Gesetzen / von den Lügen / und vielen anderen Dingen mehr. Er hat auch verschiedene Gespräche geschrieben / und selbe benennet mit dem Nahmen derer Philosophen / welche er gehöret / oder auch /denen in der Lehre gefolget / als da sind: Das Gespräch / Timæus genannt / deßgleichen das Gespräch oder Dialogus, Parmenides, Theæretus, Phædrus, Euthydemus, und dergleichen mehr / welche von den Gelehrten hoch gehalten werden.


Kluge Leute befleißigen sich auch kluger Reden: Der ist klug und verständig / welcher nicht allein fleißig betrachtet / auch im Leben practicirt die Reden und Lehren der Weisen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 533-535.
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