18. [535] Demosthenes ein fürtrefflicher Sachverwalter oder Advocat.

[535] Rühmlich ists dem Demostheni; daß er durch seine kluge Erfindung / wie Valerius im 7. Buch am 3. Cap. schreiben / einem armen betrübten Mägdlein mit Rath geholffen / damit sie nicht vom Richter verdammt würde. Bey diesem Mägdlein legten zween Jünglinge zu Athen etliche Pfennige / oder eine Summa Geldes nieder / mit dem Beding / daß sie solch Geld ihrer keinem alleine weder halb / noch gantz / solte wieder geben / sondern allererst zu der Zeit / wann sie beyde zugleich kommen / und dasselbe von ihr fordern würden. Uber eine Zeitlang kam der eine gantz schwartz gekleidet gen Athen / und gab vor / sein Mitgesell wäre gestorben / forderte derwegen die bey dem Mägdlein deponirte Summa Geldes: Das einfältige Weibsbild trauete dem Betrieger / und übergab ihm das Geld. Aber was geschicht? Nach etlicher Zeit kam der ander Geselle / und fordert das Geld auch und wie ihm angezeiget wird / daß es sein Mitgeselle schon bekommen hätte / verklagte er die Dirne / und begehrt vom Richter / daß sie in die wider ihren Vertrag wiedergegebene Summa möchte verdammt werden. Daher wurde das Mägdlein so betrübt / daß sie ihr vornahm sich selbst zu erhencken / sintemal sie keine Mittel hatte / eine sothane Summa Geldes zu bezahlen / konte auch keinen Verthädiger finden / der ihr mit Rath aus dieser Noth hätte geholffen. Da trat endlich Demosthenes herfür / nahm sich ihrer an und sprach: Lieber Jüngling / weil du diß Mägdlein so hart treibest / und ihr Schuld giebst / daß sie unrecht daran gethan habe / indem sie deinem Mitgesellen das Geld allein wieder zugestellet / so gestehest du ja hiermit / daß sie einem unter euch alleine nicht schuldig sey / das deponirte Geld wieder zu geben. Darum[536] gehe hin / und bringe deinen Mitgesellen anhero / alsdann soll dir das Geld so bald gegeben werden. Dieses Urtheil haben die Richter gut geheissen / und das Mägdlein von der angestellten Klage loß gesprochen.


Wer zu leicht glaubet / der wird leicht betrogen / daher heißt das alte Sprichwort: Fide, sed vide, cui fidas. An einem verständigen Advocaten ist gar viel gelegen? Doch hat sich niemand auf solch Urtheil zu verlassen; Einem andern / insonderheit Reichen / würde die Sententz den beschriebenen Rechten nach entgegen seyn. Denn es heißt da: Negligentibus jura non subveniunt, l. 16. C. ex quibus caus. maj. in integ.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 535-537.
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